Verdoppelung der regionalen Asylkommissionen und Zunahme der Ablehnungen?
Im Oktober ist die Anzahl „unglaublich“ hoch, genau 48% (im September waren es 44%). In der Praxis bedeutet das: Eine von zwei Antworten der regionalen Asylkommission ist eine Ablehnung des Antrags auf internationalen Schutz. Das ist ein Paradox angesichts der Tatsache, dass in den letzten Monaten die Zahl der Asylantragsteller aus der Ukraine, dem Irak, aus Afghanistan und Mali, aus Ländern im Krieg oder in schweren wirtschaftlichen/ zivilen Krisen, gestiegen ist; Länder, die die EU Staaten als irgendwie darin einbezogen ansehen.
Ob die Kommissionen, die zurzeit arbeiten, genaue Anweisungen hatten? Wir können diese Frage nicht mit Sicherheit beantworten, aber einige Zweifel kommen spontan; auch deshalb, weil der Höhepunkt (der Ablehnungszahlen) in dem Augenblick erreicht wurde, in dem die Regierung mit dem Gesetzesdeket vom 22.August 2014 einige neue Regeln für den Verfahrensweg zur Anerkennung des internationalen Schutzes erlassen hat.
Die wichtigste Neuerung ist sicher die Erhöhung der Anzahl der Kommissionen von 10 auf 20; tatsächlich werden einige Unterabteilungen selber zu Kommissionen, wie im Fall Palermo, wo der Sitz der Kommission sein wird (sie wird sich weiter mit den Anträgen befassen, die aus den Städten Palermo und Messina kommen); Trapani dagegen wird eine neue Unterkommission haben, die in Agrigent angesiedelt wird. All das wird offensichtlich nach italienischer Gewohnheit lange Zeit in Anspruch nehmen und die weiteren 10 Kommissionen (und die Abteilungen) werden nicht vor Mitte 2015 an die Arbeit gehen.
Selbstverständlich wird nicht nur die Anzahl der Kommissionen und der negativen Bescheide zunehmen, sondern auch die Gelder, die in die Städte mit Sitz einer Kommission fließen werden, und nicht nur dorthin. In der Tat, die andere Neuerung, die das Gesetzesdekret vorsieht, ist eine Zuwendung von weiteren 100 Millionen Euro für den nationalen Fond für die Asylpolitik und die Dienste (ein Teil der Summe wird auch für die Rückführungen verwendet); darüber hinaus werden die sizilianischen Städte, die am meisten vom Migrationsdruck betroffen waren, für das Jahr 2014 zum Teil von den Berechnungen des Stabilitätspaktes ausgenommen. Die betroffenen Städte und Gebiete sind Agrigent, Augusta, Caltanissetta, Catania, Lampedusa, Mineo, Palermo, Porto Empedocle, Pozzallo, Ragusa, Siculiana, Syrakus und Trapani.
Weitere Neuerung ist, dass, wenn ein Asylbewerber von einem Zentrum in ein anderes in Italien verlegt wird, auch die Zuständigkeit der regionalen Asylkommission übertragen wird. Für die Asylsuchenden wird das teure Reisen und die Nächte unter den Sternen vermeiden, um die Anhörung durch die Kommission zu bestreiten. Indessen ist die letzte Neuerung eine Praxis, die schon von vielen Kommissionen angewandt wird, und das heißt, dass das Gespräch zwischen dem Asylantragsteller und der Kommission sich normalerweise in Gegenwart nur eines der Kommissions-Mitglieder abspielen wird, mit spezifischer Bildung und, soweit möglich, gleichen Geschlechts wie der Antragsteller. In einem zweiten Schritt unterbreitet das Mitglied, das das Gespräch führt, der Kommission den Vorschlag zur Beschlussfassung; diese entscheidet gemeinsam. Wie schon gesagt, ist diese Praxis bereits in sehr vielen Kommissionen verbreitet, aber das Problem, das sich wieder stellen wird, ist, dass der größte Teil der Kommissionsmitglieder nicht angemessen vorbereitet ist eine Anhörung durchzuführen (besonders die Aushilfsmitglieder, die nicht die notwendige Zeit haben, sich vorzubereiten).
Diese Neuerungen führt die Regierung in einem Moment ein, in dem die Entscheidungen angesichts des Sterbens weiter Menschen in eine andere Richtung gehen müssten, Politiker und Bürokraten sind indessen nur darum besorgt, dass die Gelder kritiklos mannigfachen Freunden und Kameraden zufallen. Aktuell brauchen die zehn Kommissionen sehr viel Zeit [zur Entscheidung], fast zwei Jahre, mit schlecht ausgebildetem Personal und mit Übersetzern, die nicht auf der Höhe der ihnen übertragenen Aufgabe sind. Des Weiteren scheinen einige Protokolle eher aus der Feder der Vernehmer der Polizei zu stammen als aus der Anhörung des Asylantragstellers. Wer wird die nächsten Mitglieder aussuchen? Nach welchen Kriterien? Mit welcher Ausbildung? Weitere Fragen, auf die wir wahrscheinlich niemals eine Antwort bekommen werden.
Beschließen wir diese Untersuchung mit den Zahlen der regionalen Asylkommission von Trapani (die auch die Abteilung von Palermo einschließt), bei der sich die Prozentsätze nicht vom nationalen Mittel abheben: Circa 40% sind Ablehnungsbescheide, nur 10% erhalten den Status von Flüchtlingen zuerkannt, vor allem Flüchtlinge aus Eritrea, Somalia, Syrien und Afghanistan, 20%, Nigerianer, Nord-Malianer und Pakistaner, erhalten einen subsidiären Schutz, 30% erhalten Schutz aus humanitären Gründen, der Minderjährigen und Menschen mit gesundheitlichen und persönlichen Problemen zuerkannt wird.
Ein gewaltiges Problem bleibt das „nach der Kommission“, vor allem für denjenigen, der einen Ablehnungsbescheid bekommen hat; ein Abgrund für unzählige Menschen, die nur versuchen, dieses Leben in Würde zu leben, nach einer Flucht, die sie gezwungen hat, ihr eigenes Herkunftsland zu verlassen. Die Probleme betreffen sowohl den Zugang zu der Möglichkeit, Berufung vor Gericht einzulegen wie auch die Aufnahme. Es sind keine Mittel und Projekte für diese Phase vorgesehen, weil sie wahrscheinlich weniger gewinnbringend ist, für uns Italiener und für uns Europäer.
Alberto Biondo
Borderline Sicilia
Aus dem Italienischen von Rainer Grüber