Als wir zusammen mit den Oxfam-Mitarbeiter*innen vom Projekt OpenEurope vor Ort eintreffen, halten sich etwa zehn Menschen in der Zeltstadt auf. Insgesamt seien sie allerdings 25, darunter vor allem Pakistaner*innen und etwa zehn Afrikaner*innen.
Die Situation im Lager ist zum Verzweifeln: Während wir uns noch mit einigen Anwesenden unterhalten, sehen wir weiter hinten, wie der 31 Jahre junge Pakistaner J. sich unablässig mit Glasscherben ritzt. Seit sieben Monaten lehnt ihn das Aufnahmezentrum für Asylsuchende (C.A.R.A) in Caltanissetta ab, weil er laut System im Aufnahmezentrum in Ravenna registriert ist. Doch die Zeltstadt will er nicht verlassen, stattdessen wartet er – vergeblich.
Der 23-jährige S. aus dem Tschad erzählt, dass er schwer krank sei und nur nach Hause wolle. Die anderen, allesamt junge Pakistaner*innen, warten auf ihre Aufenthaltsgenehmigung, um endlich nach Mailand oder Neapel weiterreisen zu können.
Wieder einmal zwingt die Trägheit der hiesigen Bürokratie Migrant*innen in einen Dauerzustand von Prekarität und Frustration. Ganze Monate warten sie auf das Stückchen Papier, das ihnen gestattet, sich frei und unabhängig zu fühlen und das eigene Leben und die Zukunft zu planen.
Unter den besonders schutzbedürftigen Personen wird die Zahl derer, die zusehen müssen, wie sich die eigenen psychophysischen Bedingungen Tag für Tag verschlechtern, immer größer.
Angesichts der jüngsten Landungen in sizilianischen Häfen (innerhalb von fünf Monaten wurde die Schwelle von 50.000 Neuankömmlingen überschritten) fragen wir uns, wie das Aufnahmesystem reagieren sollte, um den endgültigen Kollaps zu vermeiden. Erwarten uns etwa weitere provisorische Lager wie das von Pian Del Lago? Die Drohungen des Ministers Minniti, den Rettungsschiffen der NGOs den Zugang zu den Häfen zu verwehren, wird jedenfalls nicht dazu beitragen, die Lücken des italienischen Aufnahmesystems zu schließen und die Solidarität auf europäischer Ebene zu stärken. Das gesamte System müsste von Grund auf überholt werden, angefangen bei der längst überfälligen Anerkennung der Tatsache, dass Einwanderung keine Frage eines vorübergehenden Notstandes ist, sondern ein Phänomen, auf das man gut vorbereitet sein und mit soliden politisch-legislativen Mitteln reagieren muss.
Sara Ravasio
Borderline Sicilia
Aus dem Italienischen übersetzt von Laura Strack