In einer kurzen Zeitspanne von 8 Tagen sind 1800 Migrant*innen in Palermo angekommen – auf zwei unterschiedlichen Schiffen, der Vos Prudence (Ärzte ohne Grenzen) und der Diciotti von der italienischen Küstenwache. Zwei unterschiedliche Ankünfte mit zwei unterschiedlichen Geschichten…. Eine andere Annäherung an die Wirklichkeit der Einwanderung.
In diesen Zeiten, in denen zugelassen wird, dass Menschen weiter im Meer sterben, ist es wichtig, nicht der institutionellen Logik der Migration zu folgen, da sie nicht in der Lage ist, über ihre eigenen ideologischen und wirtschaftlichen Interessen hinaus zu sehen. Wer von einer offenen Gesellschaft träumt und sich dafür engagiert, sollte nicht die “Bandbreite der Entscheidungen für die Sicherheit” des Ministers Minniti befürworten. Wir können nicht zulassen, dass uns das notwendige Maß an Menschlichkeit entrissen wird, das wir brauchen, um die Geschichten und Erzählungen der Migrant*innen in den Vordergrund zu rücken. Deswegen bleiben wir zäh in dieser zerrissenen und selbstzerstörerischen politischen Phase.
Wenn die Menschen ankommen ist ihr Blick bedeutsam, um die Bedingungen, in denen sie sich befinden, zu verstehen (was aufgrund der Komplexität des Moments fast nie herausgestellt wird). Ihr Blick ist fast immer traurig, erloschen… er verliert sich in der Leere und hat nicht mehr die Fähigkeit zu fokussieren. Zurückhaltende Blicke von Menschen, die sofort wissen, dass der „Leidensweg“ noch nicht vorbei ist.
Jedenfalls war während der Ankunft der Vos Prudence am 12. Juni 2017 etwas anders. Während die Gäste (denn so werden sie an Bord genannt) das Schiff verließen, strömte aus ihren Blicken eine gewisse Ruhe, Würde…und fast sogar Stolz. Einen Moment lang hatte ich das Gefühl, dass das Leben dieser Menschen nicht unserer Unfähigkeit ausgeliefert ist, sie nach dem vorhersehbaren und üblichen Schema eines Notzustandes aufzunehmen, und dass ihre Geschichten die Anonymität, die Unsichtbarkeit verlassen haben. Aus ihren Dramen formten sich überraschende Persönlichkeiten und auch aus unseren Erzählungen von ihnen, die sonst nur als Zahlen daherkommen. Als ich ihre Blicke erwiderte, hatte ich kurz das Gefühl, dass sie selbst dieses „Defizit an Mitgefühl“ ausgeglichen haben, was uns beim Thema Migration so wehrlos und viel zu selbstbezogen macht.
Und doch waren die „Gäste“ der Vos Prudence nicht so anders als die „Migrant*innen“ des Schiffs Diciotti eine Woche später. Auch sie waren müde und traumatisiert, verwundbar und schutzbedürftig. Wir dürfen nicht vergessen, dass mehr als 70% der Ankommenden ein Trauma während seiner Reise erlitten hat, und dass sich auf dem Schiff Minderjährige, Opfer, die in den libyschen Aufnahmelagern Gewalt und Missbrauch erfahren haben, und allein flüchtende Frauen befinden, die riskieren, Menschenhändlern und Ausbeutern zum Opfer zu fallen. Weshalb dieser Unterschied?
Ein nicht unwichtiger Aspekt ist, dass die Gäste nach der Rettung im Meer und dem Schiffswechsel als „Menschen“ anerkannten werden. Das, was also den Unterschied macht, ist also das Maß an Menschlichkeit zusammen mit einer großen Professionalität. Menschlich bleiben (Worte, die Vittorio Arrigoni, dem italienischen Freiwilligen, der 2011 in Gaza ermordet wurde, so wichtig waren) in so schwierigen Momenten stellt eine gegenseitige Anerkennung her, die den „Teufelskreis der Gleichgültigkeit“ durchbricht. Menschlichkeit schafft Nähe und bringt, wenigstens für einen Moment, die vielfach „aufgelösten Emotionen“ der dramatischen Reise wieder zusammen. Die Gesänge, Gebete und Tänze, die der Rettung folgen, haben dieselbe Funktion der Zusammenfügung: Die Menschen finden ihre Identität wieder, die sie aufgrund der unmenschlichen Erfahrungen am eigenen Leib verloren haben. Vor allem das Gebet gilt dem Beweinen der Zurückgelassenen, spendet Trost und gibt Hoffnung. Das Mittelmeer ist nicht nur Ort der Auflösung, sondern auch ein Ort der Verbrüderung und der Bildung einer neuen Menschlichkeit.
Wenn die Menschen ankommen ist ihr Blick bedeutsam, um die Bedingungen, in denen sie sich befinden, zu verstehen (was aufgrund der Komplexität des Moments fast nie herausgestellt wird). Ihr Blick ist fast immer traurig, erloschen… er verliert sich in der Leere und hat nicht mehr die Fähigkeit zu fokussieren. Zurückhaltende Blicke von Menschen, die sofort wissen, dass der „Leidensweg“ noch nicht vorbei ist.
Jedenfalls war während der Ankunft der Vos Prudence am 12. Juni 2017 etwas anders. Während die Gäste (denn so werden sie an Bord genannt) das Schiff verließen, strömte aus ihren Blicken eine gewisse Ruhe, Würde…und fast sogar Stolz. Einen Moment lang hatte ich das Gefühl, dass das Leben dieser Menschen nicht unserer Unfähigkeit ausgeliefert ist, sie nach dem vorhersehbaren und üblichen Schema eines Notzustandes aufzunehmen, und dass ihre Geschichten die Anonymität, die Unsichtbarkeit verlassen haben. Aus ihren Dramen formten sich überraschende Persönlichkeiten und auch aus unseren Erzählungen von ihnen, die sonst nur als Zahlen daherkommen. Als ich ihre Blicke erwiderte, hatte ich kurz das Gefühl, dass sie selbst dieses „Defizit an Mitgefühl“ ausgeglichen haben, was uns beim Thema Migration so wehrlos und viel zu selbstbezogen macht.
Und doch waren die „Gäste“ der Vos Prudence nicht so anders als die „Migrant*innen“ des Schiffs Diciotti eine Woche später. Auch sie waren müde und traumatisiert, verwundbar und schutzbedürftig. Wir dürfen nicht vergessen, dass mehr als 70% der Ankommenden ein Trauma während seiner Reise erlitten hat, und dass sich auf dem Schiff Minderjährige, Opfer, die in den libyschen Aufnahmelagern Gewalt und Missbrauch erfahren haben, und allein flüchtende Frauen befinden, die riskieren, Menschenhändlern und Ausbeutern zum Opfer zu fallen. Weshalb dieser Unterschied?
Ein nicht unwichtiger Aspekt ist, dass die Gäste nach der Rettung im Meer und dem Schiffswechsel als „Menschen“ anerkannten werden. Das, was also den Unterschied macht, ist also das Maß an Menschlichkeit zusammen mit einer großen Professionalität. Menschlich bleiben (Worte, die Vittorio Arrigoni, dem italienischen Freiwilligen, der 2011 in Gaza ermordet wurde, so wichtig waren) in so schwierigen Momenten stellt eine gegenseitige Anerkennung her, die den „Teufelskreis der Gleichgültigkeit“ durchbricht. Menschlichkeit schafft Nähe und bringt, wenigstens für einen Moment, die vielfach „aufgelösten Emotionen“ der dramatischen Reise wieder zusammen. Die Gesänge, Gebete und Tänze, die der Rettung folgen, haben dieselbe Funktion der Zusammenfügung: Die Menschen finden ihre Identität wieder, die sie aufgrund der unmenschlichen Erfahrungen am eigenen Leib verloren haben. Vor allem das Gebet gilt dem Beweinen der Zurückgelassenen, spendet Trost und gibt Hoffnung. Das Mittelmeer ist nicht nur Ort der Auflösung, sondern auch ein Ort der Verbrüderung und der Bildung einer neuen Menschlichkeit.
Leider ist gemeinsam mit den Überlebenden auch der leblose Körper eines Jugendlichen mit der Vos Prudence angekommen. Mehr als 2000 Menschen sind seit Jahresbeginn im Mittelmeer gestorben und wir werden noch weitere zählen. Es ist zwar richtig, dass „wir nicht über die Toten Buch führen können, da jedes menschliche Leben einen unendlichen Wert besitzt. Aber gerade deswegen dürfen wir die Augen nicht vor der Tatsache verschließen, dass es noch größere Totenzahlen als in Folge von Terror gibt, die uns nicht gleichermaßen bewegen. Vielleicht sollten wir uns fragen, weshalb. […] Viele Toten haben keinen Nachrichtenwert mehr.“ (Carlo Rovelli, Corriere della sera, 22. Juni). “ Das “Mare Nostrum” ist inzwischen der Austragungsort einer nicht enden wollenden humanitären Tragödie.
Trotz dieses Leids ist es möglich bei gemeinsamer Anteilnahme am Schmerz des Anderen, dieses notwendige Potenzial der Menschlichkeit zu „reaktivieren“, um diese Wirklichkeit von Tod zu beseitigen.
Vor einigen Tagen hat der Abgeordnete der Partei Movimento 5 Stelle Luigi di Maio gesagt, dass man “Scheinwerfer auf die NGOs richten” sollte. Auch wenn der Kontext dieser Worte absurd ist, bin ich absolut derselben Meinung. Auch wir wollen Licht auf NGOs richten, weil wir zweifelsohne ihre tiefe Menschlichkeit, die Organisationsfähigkeit und Professionalität sehen werden, die ihnen Legitimation verschaffen und ihre Existenz unentbehrlich machen.
Das ist wie „Balsam“ für die unzähligen offenen Wunden. Der Wunsch besteht darin, dass diese Wunden uns nicht davon abhalten eines Tages, nicht mehr allzu lange, gemeinsam neu zu beginnen.
Domenico Guarino
Comboni-Missionar Palermo
PS: Während der Ankunft wurde an Bord der Vos Prudence ein Geburtstag gefeiert. Das Leben zu zelebrieren bedeutet sich für dessen Schutz einzusetzen. Herzlichen Glückwunsch, wer du auch seist und….“Willkommen Menschlichkeit!”.
Aus dem Italienischen übersetzt von Maria Gambino