Der Dreck, die Kälte und das Fehlen von Aufenthaltsräumen, die gemischte Unterbringung und die Vorenthaltung der eigenen Rechten – das ist das Bild, das der erste Bericht des Staatsbeauftragten für die Rechte der Inhaftierten und der Freiheitsberaubten über die Lage der CIE* und der Hotspots zeichnet. Die meisten Erstaufnahmezentren für Geflüchtete befinden sich in einem desolaten Zustand. Von den neun Einrichtungen, die in der Zeit von Januar 2016 bis April 2017 besucht wurden, befinden sich fünf auf Sizilien: das CIE* - das inzwischen in ein „Aufenthaltszentrum für die Rückführung“ umbenannt wurde – in Caltanissetta und die Hotspots auf Lampedusa, in Pozzallo, Trapani und Siculiana.
Die vom Professor Mauro Palma geleitete Kommission hat festgestellt, dass alle CIE* eine Reihe von kritischen Punkten gemeinsam haben. Vor allem sind es die hygienischen Bedingungen, die „im Großteil der Fälle mangelhaft sind und dringender Renovierungs-, Sanierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen bedürfen“. Die Migrant*innen leben nachdem sie Italien erreicht haben oft in Zentren, wo sie keinen Zugang zu täglichen Bedarfsartikeln haben. Sie müssen dort bleiben, bis sie endlich Klarheit bekommen, ob ihre Hoffnung, in Europa bleiben zu dürfen, erfüllt wird oder nicht. Im Bericht steht, dass „alle nötigen Maßnahmen, um die Lebensbedingungen zu verbessern, mit Eile eingeleitet werden sollen“. Eine weitere Gemeinsamkeit der verschiedenen Identifizierungs- und Abschiebezentren ist das gemischte Zusammenleben der Inhaftierten „ohne jegliche Beachtung der einzelnen juristischen Gegebenheiten“: d.h. Menschen mit Vorstrafe werden zusammen mit Menschen festgehalten, deren Aufenthaltsgenehmigung ordnungswidrig erscheint und mit solchen, die ganz normal Asyl beantragt haben. Das geringe Angebot in Hinblick auf die kulturelle Mediation ist auch ein Teil der Kritik – es stehen nicht genügend Gebetsräume zur Verfügung und Mangel an qualifiziertem Personal, das für die korrekte Übertragung der Informationen an die ausländischen Mitbürger*innen zuständig wäre. Ferner fehlt es an Möglichkeiten, die jeden Tag in den Zentren stattfindenden kritischen Vorkommnisse konstant zu kontrollieren und festzuhalten.
Speziell im Rahmen der Inspektion des Cie* in Caltanissetta, die am letzten 16. Januar stattfand, ist der Verfall von einem Gebäude, in dem Migrant*innen untergebracht sind, festgestellt worden. „Die Schlafstätten mit in Mauern eingelassenen Betten, Schaumgummimatratzen und dem Bettzeug – schreibt die Kommission – scheinen beengt, mit spärlicher Belüftung und wenig Sonnenlicht. Obwohl die Heizung funktioniert, ist es ziemlich kalt dort. Auch die Räumen, die als Badezimmer dienen, sind aufgrund der Abnutzung in einem kritischen Zustand“. In dieser Einrichtung bekommen die Migrant*innen ein Willkommenspaket mit einem Schlafanzug, Unterwäsche, einem Trainingsanzug und ein Paar Toilettenartikeln. Ferner erhalten sie 3 Telefonkarten a 5 € und alle 10 Tagen eine weitere im gleichen Wert.
Der Beauftragte unterstreicht, dass in den Hotspots die Migrant*innen in keinem der besuchten Zentren die Möglichkeit nutzten rauszugehen, obwohl die Verordnung eben diese Möglichkeit vorsieht, nachdem die Migrant*innen durch Foto identifiziert worden sind. Somit wird aus dem Zentrum de facto ein Gefängnis. Außerdem ist die Zeit, die benötigt wird, um die ganzen Vorgänge zu erledigen, viel zu lang – weit über die vorgesehenen 48 Stunden hinaus bis hin zu Fällen mit einer Aufenthaltsdauer von fast einem Monat. Ein weiterer kritischer Punkt sind die Schwierigkeiten, die Organisationen und Presse überwinden müssen, um in die Zentren hinein zu gelangen. Die Lebensbedingungen in den Hotspots seien grundlegend zu überdenken, so die Kommission: Zuerst sollte ins Bewusstsein gerufen werden, dass es nötig ist, „den gerade angekommenen Migrant*innen einen gewissen Grad an persönlicher Würde zu garantieren (saubere Wechselwäsche, Schuhe und Decken, um sich zu wärmen) und ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen (sich waschen und etwas essen)“, bevor die Identifikationsprozedur beginnt.
Die zweite Inspektion aus Lampedusa, die die Kommission zwei Monate nach der ersten durchführte, spiegelt gut die katastrophale Lage wider. „Die einzigen Gemeinschaftsräume sind Überdachungen aus Beton mit Bänken – auch aus Beton -, unter denen sich die Migrant*innen aufhalten dürfen, während sie darauf warten, identifiziert und fotografiert zu werden – so die Berichte der Organisationsmitglieder. Und das bei jedem Wetter, sei es Regen oder Sonnenschein. Andere Gemeinschaftsräume fehlen komplett, wo die Migrant*innen ihre Zeit verbringen können und z.B. essen (Es gibt dort keine Kantine und das Essen, das vor Ort gekocht wird, wird auf Tellern, die mit Plastikfolie bedeckt sind, ausgegeben; die Bewohner*innen essen, wo sie Platz finden - teilweise draußen, teilweise auf den Betten sitzend). Es gibt auch keine Wäscherei: Den Bewohner*innen wird Waschmittel ausgegeben und sie waschen ihre Kleidungen in den (kleinen) Waschbecken der Bäder. Es gibt auch keinen Hof, nur den schmalen Streifen zwischen den Gebäuden, in denen die Schlafräume und die Büros untergebracht sind“.
Die Mängelliste betrifft auch die Schlafräume. „Die Schlafräume sind Zimmer, in denen 12 Betten stehen. Teilweise gibt es aber Stockbetten und dann können dort bis zu 24 Menschen schlafen, oder sogar 36, wenn die Matratze, die unter den Betten versteckt ist, auch noch benutzt wird. In den Zimmern stehen die Betten nebeneinander in einer Reihe und es gibt keine Abstellmöglichkeit.“ Die Frauen und die Mädchen haben „die Isodecken als Deko an den Wänden aufgehängt und diese Decken sind leider“, so gibt die Kommission zu „der einzige Farbfleck zwischen dem schmutzigen Weiß der Wände und dem Grau des Betons“. Leider sind auch die Toiletten in keinem besseren Zustand: „In den Frauentoiletten gibt es drei Duschen, drei Plumpsklos und Waschbecken aus Metall“.
Das Leben in der Einrichtung ist nicht lebenswert und die Identifikationsverfahren sind es auch nicht besser: „Der Beauftragte hält Situationen für inakzeptabel, in denen Migrant*innen, unter ihnen auch eine Gruppe von unbegleiteten Minderjährigen, im Regen, ohne jeglichen Schutz, sogar ohne Schuhe in der Schlange gestanden und gewartet haben, um fotografiert und identifiziert zu werden.“ In anderen Fällen liegen die Verfahrensweisen an der Grenze der Rechtswidrigkeit. Die Kommission erklärt im Hinblick auf Besprechungen mit den zuständigen Verantwortlichen, „dass es öfters vorgekommen ist, dass die Migrant*innen ihre Unterschrift auf ein vollkommen weißes Blatt setzen mussten. Das bedeutet, dass die Formulare nicht vorher ausgefüllt worden sind und sie keinerlei Garantie haben, dass das was sie gesagt haben oder sagen wollten auch korrekt wiedergegeben und zu Papier gebracht wird“.
Simone Olivelli
CIE* - Centro di identificazione ed espulsione – Identifizierungs- und Abschiebezentrum
Aus dem Italienischen von A. Monteggia