Redattoresociale.it – In seiner Geburtsstadt Lucca fällt heute Abend um 18 Uhr der Startschuss für die Aktionskampagne, durch die der am 10. April in der Türkei festgenommene Journalist Gabriele del Grande befreit werden soll. Zuvor findet im Senat eine Pressekonferenz zum Fall statt. Morgen erreicht die Kampagne Bologna, Venedig und Mailand, wo bereits 1.700 aktive Unterstützer*innen gefunden werden konnten. Am 21. macht die Kampagne Halt in Pisa. Hinzu kommen zahlreich Appelle, Petitionen und Posts, die unter dem Hashtag #iostocongabriele („Ich bin bei Gabriele“) im Internet kursieren.
Lucca, die Geburtsstadt des Journalisten, der am 10. April an der türkisch-syrischen Grenze festgenommen wurde und seither ohne rechtlichen Beistand in Abschiebehaft sitzt, wird als erste einer ganzen Reihe italienischer Metropolen der Aktionskampagne für Gabriele Del Grandes Befreiung stattgeben. „Die Stadt setzt ein erstes Zeichen und kündigt die kommenden Aktionen an“, ist in einem offiziellen Facebook-Post zu lesen, der die Bürger*innen für viertel nach sechs zur Piazza San Michele lädt. Die geplante Kundgebung ist eine von unzähligen Reaktionen auf den Aufruf, den Del Grande selbst im Telefonat mit seiner Lebensgefährtin Alexandra D’Onofrio erließ. In diesem ersten Telefongespräch nach neun Tagen Haft erklärte er außerdem, dass es ihm gut gehe, dass ihm „kein Haar gekrümmt worden“ sei, dass er aber nicht telefonieren könne, da ihm trotz Mangels konkreter Anklagepunkte sein Telefon und seine Sachen abgenommen worden seien. „Es ist mir weder gestattet, einen Anwalt zu kontaktieren, noch zu erfahren, wann ich wieder freigelassen werde – und das alles nur, weil ich meinem Beruf nachgegangen bin.“ Del Grande kündigte an, in Hungerstreik zu gehen und forderte allgemein dazu auf, „alle Räder in Bewegung zu setzen“, um seine Rechte zu verteidigen.
Auch in anderen italienischen Städten werden zur Stunde Aktionen für die Freilassung des Journalisten geplant.
In Mailand haben bisher bereits 1700 Personen ihre Teilnahme an der Protestaktion zugesagt, die am 20. April um 18 Uhr in der Mailänder Fußgängerzone zwischen dem Largo Cairoli un der Piazza Castello (via Beltrami 1) stattfinden wird, 4600 weitere Personen sind laut Facebook interessiert. „Wir fordern dazu auf, dem Hungerstreik abwechselnd solange beizutreten, bis Gabriele freigelassen wird. Außerdem wollen wir Kerzen anzünden – als Symbol für die Suche nach der Wahrheit und den investigativen Journalismus.“ Fast zeitgleich findet auf dem Campo Santa Margherita in Venedig ein Flashmob für Gabriele statt, während man in Turin eine Demonstration für den frühen Abend plant. Am morgigen Donnerstag kommt man auch in Bologna zusammen – um 18 Uhr auf der Piazza del Nettuno: Mit dabei sein werden der Verein Bandiera Gialla, das Handicap-Dokumentationszentrum Accaparlante, die Presseagentur Redattore Sociale, der Verein der Freunde und Förderer der Piazza Grande, die Freiwilligenorganisation GVC (Gruppo di Volontariato Civile) sowie die Theatergruppe Cantieri Meticci. Die Aktionskampagne hingegen wandert am 21. April weiter nach Pisa, wo eine Aktion auf der Piazza dei Cavalieri geplant ist.
Indes häufen sich im Internet und in den sozialen Netzwerken die Solidaritätsbekundungen und Protesstatements: Die gemeinnützige Organisation Cospe (Cooperazione per lo Sviluppo dei Paesi Emergenti) hat Fotos veröffentlicht, auf denen Mitarbeiter*innen Schilder mit dem Hashtag #FreeGabrieleDelGrande tragen: „Wir fordern die italienische Regierung dazu auf, mit allen verfügbaren Mitteln die sofortige Freilassung unseres Freundes und Kollegen zu erwirken. Unterstützt uns mit eigenen Fotos und Statements.“
Auch in Bologna hat man zur symbolischen Entzündung von Kerzen aufgerufen. Bereits heute Abend, zwischen 20:30 und 22 Uhr wird der Palazzo del Podestà gelb angestrahlt - in der Farbe der Menschenrechte. Auch am Wochenende bleibt das Thema in Bologna präsent: Das Anthropologiefestival Mille/Piani in der Aula Tibetti (via Zamboni) zeigt einen Dokumentarfilm Gabriele Del Grandes, „Io sto con la sposa“.
Danilo De Biasio, Leiter des Mailänder Festivals der Menschenrechte schrieb: „Gabriele Del Grande muss freikommen. Punkt, fertig, aus. Aber was genau muss geschehen, um diese elementare Forderung nach Gerechtigkeit wahr werden zu lassen? Im Zeitalter der Facebook-Likes wäre die einfachste Lösung vermutlich eine virtuelle Demonstration, an der wir alle von den heimischen Bildschirmen aus via Mausklick teilnehmen. Aber das reicht nicht. Wir sind es Gabriele aus Respekt für seine Arbeit schuldig – als Journalist hat er sich nämlich nie damit zufrieden gegeben, seine Arbeit nur am Computer zu machen. Wenn es also sein muss, werden wir auf die Straße gehen und uns mit Haut und Haaren für Sitzstreiks und alles weitere, was Gabrieles Familie und Freund*innen uns auftragen werden, einsetzen. Wir werden da sein!“ Im gleichen Atemzug lud De Biasio den Journalisten zur diesjährigen Ausgabe des Festivals ein (die vom 2. bis zum 7. Mai im Mailänder Museum Triennale stattfinden wird): „Wenn sie dich freilassen, kommst du zu uns und erzählst uns davon. Wir warten auf dich.“
Auch der Gewerkschaftsbund CGIL (Confederazione Generale Italiana del Lavoro) stimmte in den Chor derer ein, die die Freilassung des Journalisten fordern. „Del Grande, der seit etwa einer Woche seiner Freiheit beraubt ist, hat sich in die Türkei begeben, um dort seiner professionellen Tätigkeit nachzugehen und die gegenwärtige Situation im türkisch-syrischen Grenzgebiet zu dokumentieren. Dies ist kein Grund für eine ungerechte und langwierige Haft“, heißt es in der Mitteilung des CGIL-Beauftragten für internationale und europäische Politik Fausto Durante. „Die CGIL hat die italienischen Behörden, das Außenministerium und die diplomatischen Vertretungen in der Türkei dazu aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass unserem Mitbürger, der in Hungerstreik getreten ist, augenblicklich die Freiheit zurückgegeben wird.“
Die Bundesvorsitzende des Verbandes ARCI (Associazioni Ricreative e Culturali Italiane) Francesca Chiavacci bekundete ihre Solidarität mit Del Grande in folgendem Statement: „Wir brauchen eine umfassende Mobilmachung seitens der Bevölkerung, an der auch wir teilnehmen werden und die wir gemeinsam mit Del Grandes Kolleg*innen organisieren werden. Diese sitzen zur Stunde zusammen, um über das konkrete Vorgehen zu entscheiden. Wir fordern größtmögliches Engagement unserer diplomatischen Vertreter*innen in der Türkei sowie das sofortige Eingreifen des Außenministers, damit Del Grande freigelassen wird und nach Hause kommt. Del Grande sitzt in einem Land in Haft, das sich vor allem seit der Ausrufung des Notstands nach dem gescheiterten Putschversuch im letzten Sommer umfassende Repressionsmaßnahmen geleistet hat, die die Wahrung der Menschenrechte gefährden. Durch die Proteste gegen das von Erdogan gewollte Verfassungsreferendum ist die Lage im Land angespannt, was Del Grandes Situation noch brenzliger macht. Wir sind in Gedanken bei ihm und hoffen, dass er bald wieder unter uns ist.“
Senator Luigi Manconi (Partito Democratico), der im Senat der Menschenrechtskommission vorsitzt, äußerte sich ebenfalls auf Facebook zum Fall: „Es ist absurd, dass man dem Reporter genau jene Aktivitäten vorwirft, die die zentralen Aufgaben seines Berufs ausmachen und den Grund seines Aufenthalts in der Türkei darstellen: eine Reportage zu machen, Recherchen zu betreiben, ein Buch zu schreiben. Dementsprechend grotesk wirkt die Anklage, in der behauptet wird, Del Grande habe sich in eine verbotene Zone begeben und seine Haftkameraden auf unlautere Weise interviewt. Außerdem hatte das türkische Außenministerium unseren Verhandlungspartnern garantiert, dass Freilassung und Abschiebung Del Grandes innerhalb weniger Stunden abgewickelt und alle Details seiner Haft bekannt gegeben würden. Von alledem ist nichts geschehen. Genau das sollte alle, die Del Grande kennen und seine Arbeit seit vielen Jahren schätzen, mehr noch, alle die, denen an der Meinungs- und Pressefreiheit gelegen ist, dazu bringen, die weitere Entwicklung des Falls mit größtmöglicher Aufmerksamkeit zu verfolgen.“
Auch die Gruppe für menschliche Solidarität (Gruppo umana solidarietà GUS) aus Macerata folgte dem Aufruf Del Grandes: „Wir wollen“, so der Vorsitzende Paolo Bernabucci, „jedwede Initiative für die Freilassung Gabrieles unterstützen. Die italienischen und europäischen Institutionen müssen aus ihrer chronischen Trägheit heraustreten und dazu zurückkehren, oder viel mehr damit beginnen, sich um die Achtung und die Verteidigung der Menschenrechte zu bemühen.
Das Zentrum für Friedensforschung und Menschenrechte Viterbo reagierte auf die Mobilmachung wie folgt: „Ein jeder und eine jede mische die eigene Stimme ein. Gabriele Del Grande setzt sich seit Jahren für die Rettung von Menschenleben ein, was eigentlich für jedermann eine Selbstverständlichkeit sein sollte. Wir fordern, dass Del Grandes Rechte respektiert werden und er so schnell wie möglich freikommt.“
Auch Borderline Sicilia forderte die sofortige Freilassung Del Grandes: „Es ist völlig inakzeptabel, dass ein Journalist festgehalten und seiner Grundrechte beraubt wird, weil er einer ausländischen Regierung durch die rechtmäßigen Ausübung seiner Arbeit unbequem werden könnte, selbst wenn es sich dabei um ein Land handelt, das den Rechtsstaat de facto abgeschafft hat. Wir erwarten von den italienischen Behörden die schnelle und effektive Klärung des Falls. Es muss um jeden Preis verhindert werden, dass die Türkei Erdogans diesen Fall für einen weiteren Affront gegen Italien und Europa instrumentalisiert. Wir erwarten Gabrieles baldige Rückkehr, damit er möglichst schnell seine wertvolle Arbeit als Verteidiger der Wahrheit und der Menschenrechte wieder aufnehmen kann.“
Weiterhin haben in weniger als 12 Stunden mehr als 7100 Personen die Petition auf Change.org unterzeichnet: „Wir fordern den größtmöglichen Einsatz des Außenministeriums für den positiven Ausgang des Falls und für die Konsolidierung der Pressefreiheit als eine der Grundsäulen einer Demokratie.“
Pressekonferenz im Senat. Heute findet um 14:30 im Saal Nassiryia des Palazzo Madama eine Pressekonferenz statt. Sie wurde vom Präsidenten der Menschenrechtskommission, Luigi Manconi organisiert. Als Redner werden Freunde von Gabriele auftreten: Andrea Segre, Valerio Mastandrea, Daniele Vicari, Concita De Gregorio, Rachee Masci und Giovanni De Mauro. Auch der Vorsitzende des nationalen Pressebundes, Beppe Giulietti, wird zugegen sein.
Anm.d.Red.: Gabriele del Grande wurde am 24.04.17 aus der Haft entlassen und am gleichen Tag wieder in Italien eingetroffen.
Aus dem Italienischen übersetzt von Laura Strack
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