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Freitag, 21. April 2017

Migrationsgesetze und Hotspots: Nichtregierungsorganisationen demonstrieren für die Einhaltung der Rechte

Agenzia.redattoresociale.it - Nein zum präventiven Sicherheitsdenken in der neuen Migrationsgesetzgebung, Nein zu einem neuen Hotspot in Palermo, Nein zur Strategie der globalen Kontrolle der G7 Staaten: so lauteten die Forderungen gestern Abend bei der Demonstration "Abbattiamo i muri", "Reißt die Mauern ein“, in Palermo. Außerdem gefordert: die Freilassung aus dem CIE* des Universitätsangehörigen aus Marokko und des italienischen Journalisten in der Türkei. 




PALERMO - Nein zum präventiven Sicherheitsdenken in der neuen Migrationsgesetzgebung, Nein zu einem neuen Hotspot in Palermo, Nein zur Strategie der globalen Kontrolle der G7 Staaten. Das sind die drei wichtigsten Forderungen der Demonstration "Reißt die Mauern ein" gestern in den Straßen von Palermo, organisiert vom Unterstützungsnetz der humanitären Organisationen, die sich für Migrant*innen einsetzen.

Während des Umzuges der einigen hundert Demonstrant*innen wurde in Berufung auf das Recht auf Gesundheit die Freilassung aus dem CIE* - statt der Abschiebung - des jungen Marokkaners verlangt, der an psychischen Problemen leidet. "Wir bestehen auf der Beseitigung aller physischen und mentalen Barrieren in Bezug auf die Migrant*innen“, erklärt Rosario Becchina von der Vereinigung der Universitätsangehörigen von Palermo. "Es ist ein schwerwiegender Vorfall. Der Student aus Marokko ist heute, nach zehnjähriger Integration in Palermo, von der Abschiebung bedroht. Alle an der Universität kannten ihn. Und es ist von großer Tragweite, dass auf Grund eines Vorfalls, in dem S. nicht bei vollem Bewusstsein war, die ERSU* sein Stipendium gestrichen hat, denn das hat gravierende Konsequenzen für ihn zur Folge."

Italiener*innen und Migrant*innen haben gemeinsam für die Freilassung des italienischen Journalisten Gabriele del Grande demonstriert, der seit zehn Tagen in der Türkei in Haft ist. "Das erste aller unantastbaren Menschenrechte ist das der persönlichen Freiheit. Heute sind wir hier, auch um mit Nachdruck die Freiheit von Gabriele del Grande zu verlangen,“ erklärt Elio Tozzi von Borderline Sicilia, "er muss sofort entlassen werden. Auch seine Festnahme ist unrechtmäßig, gleich wie die der Migrant*innen bei uns, wenn auch unter anderen Umständen."

Nach dem Marsch durch die Via Maqueda hat sich der Umzug auf der Piazza Bellini versammelt. Er endete vor der Präfektur, wo eine Delegation von Demonstrierenden den Beamt*innen eine Protesterklärung übergab, in der sie zudem eine Unterredung mit dem Präfekten verlangen. Das Organisationskomitee schreibt: "Die neuen Dekrete des Innenministers Marco Minniti und des Justizministers Andrea Orlando sind ein weiterer Angriff auf die politischen und zivilen Freiheiten in diesem Land. Sie sind die letzte Phase in einem Umbauprozess der Zivilgesellschaft in eine Festung der Sicherheit."



Anna Ponente, die Leiterin des diakonischen Valdenserzentrums Die Nuss, erklärt: "Der Hauptpunkt unseres gemeinsamen Protestes ist sicher der Respekt der persönlichen Freiheitsrechte und aller anderen fundamentalen Menschenrechte. Wir verlangen eine Humanisierung in der Aufnahme, die vor allem auf dem Schutz der Migrant*innen und Minderheiten aufbaut, was aber mit den neuen Gesetzen immer unmöglicher wird."
"Wir wollen, dass die Würde aller Migrant*innen garantiert wird", meint Mamadou aus Mali, der seit drei Jahren in Piana degli Albanesi lebt. " Gebt uns die Möglichkeit zur Prosperität eures Landes beizutragen. Wir verlangen nur die Freiheit, verantwortliche Bürger*innen wie ihr zu sein.“

In Palermo soll bis Juni ein "Hotspot light" eingerichtet werden. Er wird "nur" aus einigen vorfabrizierten Elementen mit 150 Plätzen bestehen, um neu angekommene Migrant*innen unterzubringen. Die Einrichtung wird auf einem unbebauten Terrain von 2800 m2 gebaut, das Grundstück war davor in Besitz der der Mafia zugehörigen Familie Graviano.

Trotz der Erklärungen der Stadtbehörden und der Präfektur, es handle sich um eine Einrichtung, um die rasche Abwicklung der Erstidentifikation der Migrant*innen sicherzustellen und deren Weiterleitung zu andern Unterbringungsorten rasch zu ermöglichen, betonen die humanitären Organisationen das Risiko der späteren Umwandlung in einen Hotspot.

"Unser Einwand bezieht sich nicht auf das Gebäude an sich, sondern auf seine juristische Bedeutung. Es würde sich in der Tat um einen Raum außerhalb der gesetzlichen Zuständigkeit handeln", betonen die Aktivist*innen, "wo weder Anwält*innen noch humanitäre Organisationen Zutritt hätten. Das Problem ist nicht das Gebäude sondern die politische Absicht, die es erfüllt."

"Dass sie es nicht Hotspot nennen ist ein wichtiges politisches Signal", erläutert Luca Casarini der Partei Sinistra Comune. "Der Bürgermeister weiß genau, dass auf dem Stadtgebiet von Palermo keine Abschiebungs- oder Hafteinrichtungen für Menschen in administrativer Haft erlaubt sind. Wir verlangen, dass die Funktion und die Regeln dieser Einrichtung eingehalten werden. Anwält*innen und humanitäre Organisationen müssen freien Zugang haben. Es besteht jedoch das Risiko, dass entgegen der ursprünglichen Absicht, diese Einrichtung später unter der bereits bekannten „Notfall“-Logik sich bald in etwas anderes verwandeln wird."

Die humanitären Organisationen haben einen weiteren wichtigen Punkt betont. Die Regierungsoberhäupter der wichtigsten kapitalistischen Länder, der G7-Staaten, werden sich das nächste Mal in Taormina treffen.

"Dort werden Vorschläge und Richtlinien festgelegt, die nichts mit den Interessen der Bevölkerung gemein haben", schreibt das Organisationskomitee, "vor allem nicht mit den Interessen der Ärmsten und Benachteiligten. Die erklärte Absicht ist es, Strategien der Sicherheit zu verfolgen, die die Kontrolle über den ganzen Planeten garantieren und erhalten, und das zum alleinigen Vorteil der ökonomischen Grossmächte."

An der Demonstration haben teilgenommen: A-dif, Arci Palermo, Assemblea Montevergini, Borderline Sicilia, Centro Salesiano Santa Chiara, CISS, Cobas Antirazzista Palermo, Democrazia e Lavoro CGIL Sicilia, Forum Antirazzista Palermo, Isati Junco#PoterePopolare, Laici e laiche comboniani/e, missionari comboniani Palermo, Osservatorio Noureddine Adnane, Palermosenzafrontiere, Mariarosa Ragonese, Tania Macaluso, Silvia Timoneri, La Migration, ROMpiamo i pregiudizi, Circolo Sakalash, Zabbara (Serena Termini)


*CIE Centro di Identificazione ed Espulsione Abschiebehaftzentrum

*ERSU Ente Regionale per il Diritto allo Studio Universitario Universitätsstelle für Stipendien und die Rechte der Studenten


Übersetzung aus dem Italienischen von Susanne Privitera Tassé Tagne