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Mittwoch, 14. Oktober 2015

Zurückgewiesene Migranten: keine Rückführungen, sie werden auf die Straße gesetzt. „Die Behörden verursachen den Schaden, die Zivilgesellschaft bügelt ihn aus.“

32 in Catania, 26 in Pozzallo, 37 in Syrakus, weitere mehrere Dutzend auf Lampedusa. Die Rechnung der in den letzten Wochen zurückgewiesenen Migranten geht nicht auf. Es sind ungewöhnliche, plötzlich sehr hohe Zahlen, das Ergebnis plötzlicher Entscheidungen, die von verschiedenen sizilianischen Polizeipräsidien getroffen werden. Darunter auch solche, die laut den in diesem Bereich aktiven Vereinen derartige Maßnahmen bislang nicht getroffen hatten, wie zum Beispiel in Catania. Zurückweisung bedeutet hier keinesfalls, dass die Migranten in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt werden, sondern nur, dass sie auf die Straße gesetzt werden, mit einer Ausweisungsverfügung, die ihnen theoretisch auferlegt, Italien innerhalb von sieben Tagen zu verlassen. Praktisch werden die Personen durch diesen Schein aus den Aufnahmeeinrichtungen ausgeschlossen und der Unrechtmäßigkeit überlassen.

„Die Behörden verursachen den Schaden, und die Zivilgesellschaft muss es ausbügeln; es ist nicht hinnehmbar, dass die Leute auf die Straße gesetzt werden, und es wird zu einem Problem, denn sie haben nichts zu essen, keinen Ort zum Schlafen und laufen Gefahr, dem Menschenhandel ausgeliefert zu sein.“ Paola Ottaviano ist eine junge Anwältin, die sich seit Jahren für den Schutz minderjähriger Ausländer einsetzt. Zusammen mit einigen Kollegen und verschiedenen Vereinen und Initiativen – Rete Antirazzista, Arci, Città felice, Catania bene comune, Centro Astalli, Borderline – bemüht sie sich in den letzten Tagen, den zurückgewiesenen Migranten die notwendige Unterstützung zu bieten. Und es werden immer mehr. Sie haben auch offiziell um Treffen mit dem Präfekten, dem Polizeipräsidenten und dem Bürgermeister von Catania gebeten, um einen Austausch in Gang zu setzen, jedoch ohne Reaktion.
Am vergangenen 1. Oktober wurde eine Gruppe von 32 Personen, darunter eine Frau, an einem Regentag vor den Palaspedini, Catanias Sporthalle, gesetzt. Sie wurden zurückgewiesen, weil sie als Wirtschaftsflüchtlinge angesehen wurden. Vor zwei Tagen irrte eine Gruppe von 26 Personen durch die Straßen von Pozzallo, nachdem sie ihre Ausweisung erhalten hatten. Sie wurden von einigen Bürgern bemerkt, darunter Enzo Inì, der ein Literaturcafé betreibt. „Wir haben Geld gesammelt und ihnen das Ticket gekauft, damit sie ihre Reise fortsetzen können“, erzählt er. Durch persönliche Anfragen und Aufrufe auf Facebook konnten sie 180 Euro sammeln, die unter anderem von einem deutschen Bildhauer gespendet wurden. Auch die Stadtverwaltung hat sich entgegenkommend gezeigt und für eine Nacht ein Zelt zur Verfügung gestellt, das wegen der derzeitigen Lage noch nicht abgebaut war. „Ich habe mit den Leuten gesprochen – erklärt Lucia Borghi, Aktivistin des Vereins Borderline – sie kommen aus Gambia und dem Senegal. Sie haben mir erzählt, dass einige von ihnen während eines Interviews in unverständlichem Englisch nach den Gründen für ihre Flucht gefragt wurden, andere erklären, sie seien überhaupt nichts gefragt worden und ihnen sei plötzlich die Ausweisung ausgehändigt worden.“
Von dem Anwältenetzwerk gesammelte Daten ergeben, dass die in Lampedusa angekommenen und zurückgewiesenen Migranten nach Porto Empedocle gebracht und dort sich selbst überlassen werden. Sie nehmen dann allein etappenweise die Reise in Angriff, mit Halt in Agrigent, Caltanissetta und oft Catania. In Syrakus werden die in diesem Fegefeuer gelandeten Personen von Pater Carlo D’Antoni in Empfang genommen, der mit seiner Kirche in Bosco Minniti seit Jahren ein Anlaufpunkt geworden ist und in den normalerweise für Gemeindeaktivitäten vorgesehenen Räumen Italiener und Ausländer aufnimmt, die in Schwierigkeiten geraten sind. „Ich habe in den vergangenen zwei Wochen 45 Personen von der Straße aufgelesen, eine solche Situation habe ich schon lange nicht mehr erlebt“, betont er. Darunter seien auch sieben unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. „Auch sie wurden zurückgewiesen, da sie von den Ordnungskräften nach der Untersuchung des Handgelenks als volljährig angesehen wurden“, fährt der Priester fort. „Aber der Anwalt, der sie begleitet, lässt sich die Geburtsurkunden schicken, die das Gegenteil beweisen; die erste ist bereits angekommen. Wenn sie aussagen, vor dem Hunger geflohen zu sein, werden sie als Wirtschaftsflüchtlinge eingestuft und verlieren das Recht auf politisches Asyl, aber niemand erklärt ihnen ihre Rechte. In Wahrheit ist dieses europäische Gesetz ein ungerechter Mist, es ist unmoralisch, ohne jeglichen Gemeinsinn. Schreiben Sie das, schreiben Sie“, betont er. „Eine Dummheit von Merkel und Hollande, die Renzi übernommen hat.“ Einige der Migranten, die Pater D’Antoni aufgenommen hat, bekommen rechtlichen Beistand vom Verein Arci in Syrakus. Wie das Netzwerk von Anwälten aus Catania verfolgen sie die Strategie, die Abweisungen anzufechten – was langsam erste Ergebnisse zeigt. „Nach und nach werden sie wieder in den normalen Kreislauf der Aufnahme zurückgeführt“, betont der Priester.
„Sie werden verzögerte Zurückweisungen genannt“, bestätigt Riccardo Campochiaro, Anwalt aus Catania und Experte in dieser Sache. „Es sind keine regelrechten Zurückweisungen auf See, stattdessen greifen sie sofort nach der Ankunft an Land. Kritisch sind die Länder der Subsahara. Wenn sie nicht sofort mitteilen, dass sie Asyl beantragen möchten, wird für Migranten aus diesen Ländern automatisch diese neue Anweisung durchgesetzt.“ Wenn die Rückführung in die Heimat durch eine Klage blockiert wird, können sie beantragen, in einem SPRAR* aufgenommen zu werden, doch diese Einrichtungen haben nicht ausreichend Plätze. „Die Polizei fragt nach dem Grund der Reise“, ergänzt Ottaviano. „Soweit wir wissen, geschieht dies in Pozzallo durch eine Art Multiple-Choice-Blatt. Wenn man ankreuzt, dass man „Arbeit sucht“, greift die Zurückweisung. Doch es ist klar, dass, diejenigen, die kommen, auch arbeiten möchten; das bedeutet aber nicht, dass sie nicht aus Gefahrensituationen geflohen sind.“
Catania, Lampedusa, Syrakus, Pozzallo: Wenn man die Mosaiksteinchen zusammensetzt, ergibt sich ein besorgniserregendes Bild, das laut den Aktivisten einen ganz bestimmten Grund hat: „Alles hängt mit den neuen Hotspots zusammen“, sagt der Anwalt aus Catania. „Es ist eine Art Generalprobe, Italien will Europa zeigen, dass es die Richtlinien streng einhält. Die Gegenleistung ist die tatsächliche Anwendung der Verteilungsquoten. Zu Jahresende werden sie die hervorragenden Statistiken der Ausweisungen präsentieren, doch diese Personen werden nicht in ihre Heimat zurückgeführt, sondern schlicht und einfach in die Unrechtmäßigkeit entlassen.“

Salvo Catalano 

*SPRAR: Sistema di protezione per rifugiati e richiedenti asilo: Schutzsystem für Asylsuchende und Flüchtlinge, kommunales Aufnahmesystem auf freiwilliger Basis

Aus dem Italienischen übersetzt von Renate Albrecht