Am 30.
September 2015 zwischen 10 und 11 Uhr morgens landet im Hafen von Catania ein
Schiff mit 234 Migranten an Bord, die aus zwei verschiedenen Booten gerettet
wurden, eines mit 124 und das andere mit 110 Passagieren.
Diese
Informationen wurden uns von einigen von ihnen zugetragen, die in Catania
zurückgeblieben sind. Die Mehrzahl von ihnen wurde in 4 Autobussen aus der
Stadt gefahren. Sie haben uns berichtet, dass sie im Hafen ausser von der
Polizei auch von verschiedenen Hilfsorganisationen in Empfang genommen worden
waren: dem UNHCR, dem Zivilschutz, Save the Children und der internationalen
Organisation für Flüchtlinge OIM. Einem der Migranten ging es schlecht und er
wurde ins Krankenhaus gebracht. Außer den Erwachsenen waren auch Kinder unter
den Migranten.
Nachdem sie
von Bord gegangen waren, wurden ihre Personalien aufgenommen und ein Foto
gemacht. Schliesslich konnten sie sich hinsetzen und erhielten die übliche
Ausrüstung, das Kit: ein T-Shirt, Sandalen, Seife und Toilettenpapier. Danach
wurden sie einer nach dem andern aufgerufen und eine Gruppe von ihnen wurde in
einem Bus weggefahren. Die 32 Zurückgebliebenen wurden zur Wiedererkennung
fotografiert und mit einem Linienbus in die Turnhalle Palaspedini in Catania,
die als Aufnahmezentrum umfunktioniert wurde, gebracht. Es handelt sich um 31 Männer und eine Frau aus
Nigeria, Mali, der Elfenbeinküste, aus Gambia, dem Senegal und aus Marokko.
Ohne eine
Mahlzeit verbrachten sie die Nacht in der Halle, unter Polizeibewachung an den
Eingängen. Am nächsten Morgen wurde ihnen von fünf Beamten die schriftliche
Einreiseverweigerung überbracht mit der Bestimmung, dass sie das italienische Territorium
innerhalb von sieben Tagen verlassen müssen. Auf polizeiliche Anordnung mussten
sie die Turnhalle Palaspedini verlassen – woraufhin die Beamten das Gebäude abschlossen
und wegfuhren.
Aktivisten
des antirassistischen Netzwerkes von Catania, die am Abend des 30. September
Unruhe vor der Palaspedini bemerkt hatten, haben sich gestern am frühen
Nachmittag dorthin begeben um sich über die Situation zu informieren. Sie haben
31 Männer (unter ihnen ein Minderjähriger, der fälschlicherweise als
Erwachsener registriert wurde) und eine Frau draussen im Regen auf dem Boden
sitzend vorgefunden, die T-Shirts des Roten Kreuzes trugen und grüne Flip-Flops.
Sie saßen dort und warteten – sie wussten nicht worauf – ohne verstanden zu
haben was mit ihnen geschehen war – sie hatten ebenso keine Ahnung was weiterhin
geschehen sollte. Sie konnten sich nicht erklären, warum einige in die
Aufnahmezentren transferiert worden waren und sie hingegen Italien verlassen
müssen, ohne zu bedenken, dass ihnen die Reise ohne Geld gar nicht möglich war.
In der Zwischenzeit sind sechs von ihnen, alle aus Nigeria, mit einem andern Nigerianer
weggegangen. Dieser Mann, der sich wahrscheinlich schon länger in Italien
aufhält, hat ihnen sein Telefon angeboten, um ihre Familien zu benachrichtigen
und ihnen geraten mit ihm mitzugehen. Die andern wurden von Freiwilligen des
antirassistischen Netzwerkes und von Borderline Sicilia zur Casa della Mercede,
einer karitativen Einrichtung der Diözese Catania, gebracht. Sie bekamen eine
Mahlzeit und wurden dort für die Nacht untergebracht.
In der Zwischenzeit
haben verschiedene Anwälte – des Antirassistischen Netzwerkes, aus dem Zentrum Astalli der Jesuiten in
Catania, von Borderline Sicilia und die Anwälte der Vereinigung für die
juristischen Studien zur Immigration ASGI - die juristische Beratung der Flüchtlinge
aufgenommen. Viele von ihnen berichten, sie hätten ihr Heimatland verlassen aus
Gründen politischer Bedrohung und gewalttätiger Konflikte. Viele sprechen weder
englisch noch französisch. Wir fragen uns darum, wie ihnen die Informationen
zugänglich gemacht werden können, ihre Rechte auf internationalen Schutz als
Flüchtlinge betreffend.
Unterdessen erfahren wir, dass sich das gleiche für einige
hundert andere Migranten, die vor einer Woche in den Hafen von Augusta gebracht
wurden, abgespielt hat. Es handelt sich hauptsächlich um Menschen aus Gambia,
dem Senegal, aus Mali, Togo und Guinea. Das
Polizeipräsidium von Syrakus verweigerte 35 von ihnen sechs Tage nach ihrer
Landung die Einreise. Darum mussten sie am Sonntag das Erstaufnahmezentrum zwischen
Noto und Palazzolo Acreide, wo sie untergebracht waren, verlassen.
Die
Freiwilligen der Vereinigung ARCI, Associazione Ricreativa e Culturale
Italiana, haben für ihre Unterkunft in einer Kirchgemeinde gesorgt und sie
unter ihren beratenden Schutz genommen, was ihre rechtliche Situation betrifft.
Es scheint, dass auch diese Migranten (unter ihnen ebenfalls vier unbegleitete minderjährige
Flüchtlinge, die irrtümlich als Erwachsene registriert wurden) die Lage, in der
sie sich befanden, nicht abschätzen konnten und somit von ihrem Recht auf
internationalen Schutz für Flüchtlinge nicht Gebrauch machen konnten. Auch sie
wurden von der Einreiseverweigerung überrascht, die ihnen zudem erst einige
Tage nach ihrer Ankunft von der Polizei mit einer oberflächlichen, summarischen
Übersetzung überbracht wurde. Sie wurden ohne weitere Angaben auf die Strasse
gesetzt.
Die
kollektive Einreiseverweigerung ist eine illegale Praxis, die wiederholt
gerichtlich verurteilt wurde, die aber trotzdem weiterhin von den
Polizeipräsidien angewandt wird. Und zwar auf willkürliche und diskriminierende
Art und Weise, in dem während der Ankünfte und Einreiseprozeduren vor Ort entschieden
wird, wer auf den internationalen Schutz für Flüchtlinge Anrecht hat und wer
als „Wirtschaftsflühtling“ ausgewiesen wird. Damit wird gleichzeitig die Zahl
der illegalen Aufenthalte erhöht. Sobald die letzten Entscheidungen des
vereinten Europas in die Tat umgesetzt und die Hotspots eröffnet werden, wird
das die Anwendung dieser illegalen Massnahmen noch verstärken.
Giulia
Freddi
Lucia Borghi
Borderline Sicilia
Lucia Borghi
Borderline Sicilia
OIM :
Organisazione internazionale per la migrazione, Internationale Organisation für
Migration
ASGI:
Associazione per gli Studi Giuridici sul Immigrazione, Vereinigung für die
juristischen Studien zur Immigration ASGI
ARCI:
Associazione Ricreativa Culturale Italiana
Übersetzung aus dem Italienischen von Susanne Privitera Tassé Tagne
Übersetzung aus dem Italienischen von Susanne Privitera Tassé Tagne