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Freitag, 2. Oktober 2015

Migranten in Catania und Syrakus abgewiesen

Am 30. September 2015 zwischen 10 und 11 Uhr morgens landet im Hafen von Catania ein Schiff mit 234 Migranten an Bord, die aus zwei verschiedenen Booten gerettet wurden, eines mit 124 und das andere mit 110 Passagieren.
Diese Informationen wurden uns von einigen von ihnen zugetragen, die in Catania zurückgeblieben sind. Die Mehrzahl von ihnen wurde in 4 Autobussen aus der Stadt gefahren. Sie haben uns berichtet, dass sie im Hafen ausser von der Polizei auch von verschiedenen Hilfsorganisationen in Empfang genommen worden waren: dem UNHCR, dem Zivilschutz, Save the Children und der internationalen Organisation für Flüchtlinge OIM. Einem der Migranten ging es schlecht und er wurde ins Krankenhaus gebracht. Außer den Erwachsenen waren auch Kinder unter den Migranten.

Nachdem sie von Bord gegangen waren, wurden ihre Personalien aufgenommen und ein Foto gemacht. Schliesslich konnten sie sich hinsetzen und erhielten die übliche Ausrüstung, das Kit: ein T-Shirt, Sandalen, Seife und Toilettenpapier. Danach wurden sie einer nach dem andern aufgerufen und eine Gruppe von ihnen wurde in einem Bus weggefahren. Die 32 Zurückgebliebenen wurden zur Wiedererkennung fotografiert und mit einem Linienbus in die Turnhalle Palaspedini in Catania, die als Aufnahmezentrum umfunktioniert wurde, gebracht.  Es handelt sich um 31 Männer und eine Frau aus Nigeria, Mali, der Elfenbeinküste, aus Gambia, dem Senegal und aus Marokko.
Ohne eine Mahlzeit verbrachten sie die Nacht in der Halle, unter Polizeibewachung an den Eingängen. Am nächsten Morgen wurde ihnen von fünf Beamten die schriftliche Einreiseverweigerung überbracht mit der Bestimmung, dass sie das italienische Territorium innerhalb von sieben Tagen verlassen müssen. Auf polizeiliche Anordnung mussten sie die Turnhalle Palaspedini verlassen – woraufhin die Beamten das Gebäude abschlossen und wegfuhren.  

Aktivisten des antirassistischen Netzwerkes von Catania, die am Abend des 30. September Unruhe vor der Palaspedini bemerkt hatten, haben sich gestern am frühen Nachmittag dorthin begeben um sich über die Situation zu informieren. Sie haben 31 Männer (unter ihnen ein Minderjähriger, der fälschlicherweise als Erwachsener registriert wurde) und eine Frau draussen im Regen auf dem Boden sitzend vorgefunden, die T-Shirts des Roten Kreuzes trugen und grüne Flip-Flops.  Sie saßen dort und warteten – sie wussten nicht worauf – ohne verstanden zu haben was mit ihnen geschehen war – sie hatten ebenso keine Ahnung was weiterhin geschehen sollte. Sie konnten sich nicht erklären, warum einige in die Aufnahmezentren transferiert worden waren und sie hingegen Italien verlassen müssen, ohne zu bedenken, dass ihnen die Reise ohne Geld gar nicht möglich war. In der Zwischenzeit sind sechs von ihnen, alle aus Nigeria, mit einem andern Nigerianer weggegangen. Dieser Mann, der sich wahrscheinlich schon länger in Italien aufhält, hat ihnen sein Telefon angeboten, um ihre Familien zu benachrichtigen und ihnen geraten mit ihm mitzugehen. Die andern wurden von Freiwilligen des antirassistischen Netzwerkes und von Borderline Sicilia zur Casa della Mercede, einer karitativen Einrichtung der Diözese Catania, gebracht. Sie bekamen eine Mahlzeit und wurden dort für die Nacht untergebracht.

In der Zwischenzeit haben verschiedene Anwälte – des Antirassistischen Netzwerkes,  aus dem Zentrum Astalli der Jesuiten in Catania, von Borderline Sicilia und die Anwälte der Vereinigung für die juristischen Studien zur Immigration ASGI -  die juristische Beratung der Flüchtlinge aufgenommen. Viele von ihnen berichten, sie hätten ihr Heimatland verlassen aus Gründen politischer Bedrohung und gewalttätiger Konflikte. Viele sprechen weder englisch noch französisch. Wir fragen uns darum, wie ihnen die Informationen zugänglich gemacht werden können, ihre Rechte auf internationalen Schutz als Flüchtlinge betreffend. 

Unterdessen erfahren wir, dass sich das gleiche für einige hundert andere Migranten, die vor einer Woche in den Hafen von Augusta gebracht wurden, abgespielt hat. Es handelt sich hauptsächlich um Menschen aus Gambia, dem Senegal, aus Mali, Togo und Guinea.  Das Polizeipräsidium von Syrakus verweigerte 35 von ihnen sechs Tage nach ihrer Landung die Einreise. Darum mussten sie am Sonntag das Erstaufnahmezentrum zwischen Noto und Palazzolo Acreide, wo sie untergebracht waren, verlassen.
Die Freiwilligen der Vereinigung ARCI, Associazione Ricreativa e Culturale Italiana, haben für ihre Unterkunft in einer Kirchgemeinde gesorgt und sie unter ihren beratenden Schutz genommen, was ihre rechtliche Situation betrifft. Es scheint, dass auch diese Migranten (unter ihnen ebenfalls vier unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die irrtümlich als Erwachsene registriert wurden) die Lage, in der sie sich befanden, nicht abschätzen konnten und somit von ihrem Recht auf internationalen Schutz für Flüchtlinge nicht Gebrauch machen konnten. Auch sie wurden von der Einreiseverweigerung überrascht, die ihnen zudem erst einige Tage nach ihrer Ankunft von der Polizei mit einer oberflächlichen, summarischen Übersetzung überbracht wurde. Sie wurden ohne weitere Angaben auf die Strasse gesetzt.

Die kollektive Einreiseverweigerung ist eine illegale Praxis, die wiederholt gerichtlich verurteilt wurde, die aber trotzdem weiterhin von den Polizeipräsidien angewandt wird. Und zwar auf willkürliche und diskriminierende Art und Weise, in dem während der Ankünfte und Einreiseprozeduren vor Ort entschieden wird, wer auf den internationalen Schutz für Flüchtlinge Anrecht hat und wer als „Wirtschaftsflühtling“ ausgewiesen wird. Damit wird gleichzeitig die Zahl der illegalen Aufenthalte erhöht. Sobald die letzten Entscheidungen des vereinten Europas in die Tat umgesetzt und die Hotspots eröffnet werden, wird das die Anwendung dieser illegalen Massnahmen noch verstärken.

Giulia Freddi
Lucia Borghi
Borderline Sicilia

OIM : Organisazione internazionale per la migrazione, Internationale Organisation für Migration
ASGI: Associazione per gli Studi Giuridici sul Immigrazione, Vereinigung für die juristischen Studien zur Immigration ASGI
ARCI: Associazione Ricreativa Culturale Italiana

Übersetzung aus dem Italienischen von Susanne Privitera Tassé Tagne