avvenire.it - Mindestens einhundert Tote wurden gestern an den Stränden und im Meer in
Tajoura, Libyen, gefunden. Unter ihnen Frauen und Kinder. Die Körper wurden in das
Krankenhaus in Tripolis gebracht. Die Meldung wurde gestern von Migrant Report veröffentlicht, ein Informationsorgan mit Basis auf Malta, und wurde auf Nachrichtenseiten des subsaharischen Afrikas weiterverbreitet, die Region aus der die Opfer stammten. Die zitierte Quelle ist ein Sprecher der libyschen Migrationsbehörde. Die Autoritäten, so lautet es auf der Internetseite, seien noch nicht in der Lage, mit Sicherheit die Zahl der Toten oder die Nationalitäten der Opfer nennen zu können.
Doch wenn die Zahlen bestätigt werden sollten, wäre es das schwerste Migrationsunglück nach dem Tod von mindestens 800 Menschen im Kanal von Sizilien am vergangenen 18. April. Es ist fast sicher, dass es sich um die Reste des Schiffbruchs eines Boots handelt (ein Schlauchboot, vermutlich, in Anbetracht der Zahl der Toten), das von der libyschen Stadt aus gestartet sei, die um die zehn Kilometer von Tripolis entfernt liegt und eine der Hauptabreisepunkte für diejenigen ist, die nach Europa wollen. Mögliche Bestätigungen erreichen uns vom eritreischen Priester Don Mosè Zerai, der ein Bezugspunkt für die Flüchtlinge ist, die vom Horn von Afrika nach Italien reisen; er erzählt uns von einem Boot, das am 5. oder 6. Juli abgelegt habe, von dem allerdings Informationen zur Ankunft
fehlten. Don Zerai bestätigt die Anwesenheit von vielen Frauen und Kindern an Bord.
Heute wird in Messina das Privatschiff My Phoenix des maltesischen Ehepaars Catambrone
ankommen, an Bord werden sich 414 Flüchtlinge befinden, die aus dem Meer gerettet wurden. Die Abfahrten von libyschen Küsten erfolgen mittlerweile nur noch anhand von Schlauchbooten. Diese Wahl wird von den Schleppern einerseits aufgrund des Umstands getroffen, dass es immer schwieriger wird Fischerboote und Kähne aufzutreiben. Aber es gibt auch andere Gründe, wie der Italienische Flüchtlingsrat bestätigt: „Die Schlauchboote sind günstiger, und erlauben deswegen den Schleppern die Gewinnmarge zu erhöhen. Sie sind einfacher im Verkauf zu finden, auch auf dem internationalen Markt. Außerdem sind die Gummiboote fast unsichtbar für die Radare, sie sind weniger leicht abzufangen. Aber auch die Drohungen, die Boote in Libyen zu zerstören, bringen die Schlepper dazu, sie zu benutzen.“ Die Gummiboote legten außerdem in Massen ab: „Wenn viele abreisen ist es schwieriger zu reagieren. In den nächsten Tage sind noch weitere derartige Abfahrten zu erwarten.“
Diese Gummiboote sind für ca. dreißig Menschen gedacht: die Schlepper beladen sie mit 100 bis 120 Migranten. Aber es gibt auch einen weiteren Aspekt, der besorgniserregend ist: für die Gummiboote sind keine Schleuser notwendig. „Es sind keine bestimmten Kompetenzen notwendig wie für die größeren Boote. Manchmal sind auch Flüchtlinge dabei, die bereits Erfahrung haben, andere führen eine kurze Probe im Wasser durch. Oft erhält in solchen Fällen derjenige einen Rabatt oder fährt gratis mit, der das Boot fährt. Es sind jedoch keine großen Anreize notwendig: alle wollen Libyen so schnell wie möglich verlassen.“
Zudem weist Migrant Report auch auf den Fund dreier Körper in der libyschen Wüste hin, in der Nähe der Stadt Sabha. Es handelt sich um ein nigerianisches Paar und um einen dritten Mann ungeklärter Nationalität. Um die zwanzig anderen Körper seien hingegen in der Leichenhalle des örtlichen Krankenhauses. Es handelt sich um Menschen, die in das Netz der falschen Händler gefallen sind, die Migranten entführen um ihre Familien um Geld zu erpressen. Einigen Zeugen zufolge schwankt die Höhe des Lösegelds zwischen 200 und 1.800 Dollar. „Falls das Geld nicht ankommt“ erklärt eine örtliche Quelle von Migrant Report, „werden die Geiseln gefoltert. Manchmal werden sie getötet und ihre Körper werden auf die Straßenseite geworfen, in der Wüste.“
Übersetzt aus dem Italienischen von Alina Maggiore