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Freitag, 28. November 2014

Hinkende Aufnahme

In der vergangenen Woche kamen 200 Bootsflüchtlinge im Hafen von Trapani an, nachdem sie vom Frachter BC Hamburg auf hoher See gerettet worden waren. Die Besatzung der BC Hamburg rettete zwei Boote auf denen sich 200 Menschen befanden. Sie alle haben das Meer herausgefordert. Auf dem ersten Boot befanden sich Somalier, auf dem zweiten Menschen aus Subsahara Afrika; unter ihnen viele, ungefähr 50, unbegleitete Minderjährige und mindestens sieben schwangere Frauen. Eine von ihnen wurde ins Krankenhaus von Trapani gebracht, da sie sich nicht wohl fühlte.
In Trapani, der Provinz mit der höchsten Anzahl von außerordentlichen Aufnahme-Zentren (CAS) und den meisten Migranten, herrscht Ausnahmezustand, wie auf einem maroden Boot, das sich bei Sturm auf hoher See befindet. Der Präfekt, Leopoldo Falco, spricht von 27 Einrichtungen, http://www.tp24.it/2014/11/23/immigrazione/migranti-in-provincia-di-trapani-la-prefettura-cambia-le-regole-dell-accoglienza/87569  allerdings haben die Institutionen noch keine geeigneten Bedingungen festgelegt, welche eine angemessene Aufnahme jener garantieren, die vor Krieg, Gewalt und Armut flüchten.
Es ist unfassbar, dass es in den Krankenhäusern von Trapani keine Mediatoren gibt. Sie werden vor allem in heiklen Momenten wie der Ankunft, wo es immer mehr oder weniger dringliche Notfälle gibt, benötigt. Wegen Verständigungsschwierigkeiten verstehen die Ärzte die gesundheitlichen Probleme der Migranten nicht und das führt dazu, dass die „lästigen Patienten“ oft ohne angemessene Behandlung entlassen werden. Nur nachdem sie in einem außerordentlichen Aufnahme-Zentrum (CAS) untergebracht wurden, wird ihr Gesundheitszustand ganzheitlich geprüft. Auf Grund dieser Verspätungen und dem Unverständnis gestalten sich Behandlungen oft als schwierig und kleine Beschwerden können zu ernsten gesundheitlichen Problemen werden.

Eine hinkende organisatorische Maschinerie, die sich ständig im Ausnahmezustand befindet. Auf Grund fehlender Planung öffnen sich Risse im Aufnahme-System, die wiederum die Arbeit humanitärer Organisationen unmöglich machen. Im Dschungel der Entscheidungen, erlassen von Präfekten und Polizeichefs, müssen Organisationen ständig auf der Hut sein.

Solche Schwierigkeiten können wir auch am Tag der oben erwähnten Ankunft feststellen: um einige Aufnahmestrukturen zu entlasten und die 200 geretteten unterbringen zu können war eine Luftbrücke vorgesehen. Aus bürokratischen und politischen Gründen kam es nicht dazu. Anstelle dessen hat die Präfektur entschieden einige zuvor geschlossene Zentren wieder zu öffnen um die soeben angekommenen aufzuteilen. Diese Zentren, wie das Corf di Salemi zum Beispiel, wurden zuvor wegen Problemen mit der Betreiberschaft geschlossen.
In einer Notlage wie dieser werden die Flüchtlinge erstmal am Hafenkai „geparkt“. Dort warten sie bis die Präfekturen ihren Entscheidung darüber gefällt haben in welches außerordentliche Aufnahme-Zentrum (CAS), in welches Aufnahme-Zentrum für Asylantragsteller (CARA), in welche organisierte Turnhalle oder zu welchem anderen Ort des Schicksals sie gebracht werden sollen. Auf Anordnung der Präfektur wurden letzte Woche ungefähr 50 Migranten ins CARA von Salinagrande gefahren. Die Leitung des CARA, die nicht zuvor in Kenntnis gesetzt wurde, hatte alle Hände voll zu tun, um die Migranten aufnehmen zu können.
An dieser Stelle sollte man daran erinnern, dass das CARA von Salinagrande im Februar 2015 seine Tore schließen wird, zum einen da der Vertrag mit der Gemeinde, Besitzer des Grundstücks, ausläuft, zum anderen, da die Präfektur durch die neuen Verordnungen darauf ausgerichtet ist außerordentliche Aufnahme-Zentren zu eröffnen. Außerdem hat die  Genossenschaft Badiagrande, die das CARA zur Zeit leitet, die Ausschreibung zur Leitung des Identifikation- und Abschiebe-Zentrum (CIE) in Milo gewonnen. Um die Arbeit im CIE aufzunehmen, oder besser gesagt wieder aufzunehmen, wartet man nur noch darauf, dass die Entscheidung amtlich wird, außerdem müssen bedeutende Sanierungsarbeiten vorgenommen werden. In der Zwischenzeit „leitet“ Italien die Gelder für die Integration „um“ und verwendet sie für die Verteidigung der Grenzen und um Einrichtungen in Ordnung zu bringen.
Um auf das CARA von Salinagrande zurückzukommen, es befinden sich dort zahlreiche junge Menschen, die erst kürzlich ihre Volljährigkeit erreicht haben. Seit ihrer Ankunft vor ein oder zwei Jahren zogen sie von einem Zentrum ins andere ohne, dass sie jemand um ihre rechtliche Situation gekümmert hat.

Probleme und Desorganisation haben wir ebenfalls beim Besuch des Außerordentlichen Aufnahme-Zentrums in Castellammare, geleitet von der Coop. Serenità, festgestellt. Zwei Mitarbeiter sagen aus, dass Migranten, bis auf einige Ausnahmen, ohne Vorankündigung und vorhergehender medizinischer Untersuchung ins Zentrum gebracht werden. In einigen Fällen beschließt die Präfektur, Migranten von einem Zentrum in ein anderes Zentrum zu verlegen. Dabei kommt es oft vor, dass die Verlegungen nicht bei den betreffenden Einrichtungen angekündigt werden und das trägt wiederum dazu bei, dass sich die Wartezeit bis zum Erhalt der Aufenthaltsgenehmigung in die Länge zieht.
Wir haben festgestellt, dass sich die Leitungen der Zentren gegenseitig die Schuld zuweisen. Kommen Migranten, die zuvor für einige Tage in einer anderen Einrichtung untergebracht waren, in einem Zentrum an, werden ihnen keine Kleider, Schuhe oder Telefonkarten mehr ausgeteilt. Dies erlebten auch einige Migranten von der Elfenbeinküste. Bevor sie nach Castellammare kamen, wurden sie für zwei Tage in einem Zentrum in Palermo, geleitet von der Caritas, untergebracht, wo sie auf ihre Verlegung warteten. Bei ihrer Ankunft in Castellammare haben sie nichts erhalten. Die Verantwortlichen haben dies damit begründet, dass laut Abkommen „die Anderen“ ihnen hätten geben müssen was ihnen zusteht. Die Migranten ertragen diese Spielchen, die nur die Taschen einiger Italiener füllen.
Außerdem haben wir herausgefunden, dass die Bewohner des Zentrums Sicilia Uno Schwierigkeiten beim Zugang zur Gesundheitsversorgung haben. Dies bestätigt uns auch der Direktor der Genossenschaft La Serenità, welche das Zentrum leitet. Die Schwierigkeiten entstehen, weil es an der Bereitschaft zum Zuhören, sprachlicher und kultureller Kompetenz mangelt. Deshalb müssen Migranten wegen einer einfachen Dermatitis oder Gastritis zum Spezialisten, die Wartezeiten dafür sind wie für uns Italiener sehr lang. Logischerweise bezahlen die Migranten bei dieser Desorganisation und mangelnder Vernetzung der verschiedenen lokalen Institutionen immer den höchsten Preis. Weil der Zugang zur bestmöglichen Gesundheitsversorgung das unveräußerliche Recht jedes Menschen ist, auch das der Migranten, haben wir den Gesundheitsassessor der Provinz über die aufgedeckten Missstände informiert.
Auch dies ist ein Resultat der hinkenden Aufnahme in Trapani, und nicht nur dort.

Alberto Biondo
Borderline Sicilia

Aus dem Italienischen von Elisa Tappeiner