RedattoreSociale.it - „Habt Geduld und lasst die Experten ihre Arbeit tun; sobald sie fertig sind, können wir die Ergebnisse bewerten.“ So versucht Michele Cercone, Sprecher der EU-Kommissarin für Innenpolitik Cecilia Malmström, die Gemüter nach den Polemiken der letzten Tage über die Kehrtwendung der EU in Hinblick auf den Frontex Plus-Einsatz, der nun den Namen Triton trägt, zu beruhigen.
„Ein paar Dinge haben wir immer klar und deutlich gesagt: Erstens, dass Frontex Plus/Triton die italienischen Kräfte ergänzen, aber nicht ersetzen soll“, fügt er hinzu und straft so - auf relativ direkte Weise - die glorreichen Ankündigungen des Innenministers Alfano Lügen; dieser hatte nämlich am 27. August, nach einem Treffen mit Malmström, von einem schrittweisen Abbau der Operation Mare Nostrum gesprochen.
Außerdem unterstreicht Cercone, dass „neue Mittel gesucht werden, mit denen eine stärkere Finanzierung von Triton erreicht werden kann, und dass auch Frontex die Mittel, über die es verfügt, neu verteilen wird“ - auch wenn dies sehr wenig sind. Aus einem ersten Vorschlagsentwurf, den die Experten von Frontex nach Italien geschickt haben und der heute in der Zeitung Avvenire veröffentlicht worden ist - geht hervor, dass der neue Einsatz - der, wie auch Cercone betont, ein Ausbau und ein Zusammenschluss der bereits bestehenden Frontex-Missionen im Mittelmeerraum, Hermes und Aeneas, sein wird - mit lediglich 2,3 Millionen Euro monatlich rechnen kann (in anderen Schätzungen ist von fast 34 Millionen pro Jahr, also 2,8 Millionen monatlich, die Rede). Es handelt sich in jedem Fall um einen äußerst geringen Betrag im Vergleich zu den Kosten von Mare Nostrum, die bis zum Ende des Jahres 2014 insgesamt beinahe eine Milliarde Euro betragen könnten.
Soweit man das absehen kann, werden Triton auch nur äußerst dürftige Transportmittel zur Verfügung stehen, nämlich lediglich zwei Flugzeuge, ein Helikopter, zwei Motorschiffe und zwei kleinere Boote. Auftrag der neuen Operation wird praktisch nur die Kontrolle der Grenzen, und nicht die Rettung von Menschenleben sein, und dies mit Schiffen und Flugzeugen, die sich nur dreißig Meilen von den italienischen Küsten entfernen können, während die Fahrzeuge im Bestand von Mare Nostrum praktisch bis zur libyschen Küste gelangen können.
Cercone hat eingeräumt, dass Frontex für das Jahr 2015 zusätzliche Ressourcen benötigen wird, sowohl in technischer Hinsicht (Fahrzeuge) als auch im finanziellen Bereich, doch er sagt, dass „diese Debatte, die eine gemeinsame Entscheidung von Kommission, Parlament und Rat (also der Mitgliedstaaten) erfordert, von der italienischen Präsidentschaft angestoßen werden muss.“ Neben Italien haben derzeit Frankreich, Spanien und Deutschland ihre Unterstützung für Triton zugesagt. Das ist zu wenig, wenn man bedenkt, dass an den zwei Frontex-Einsätzen aktuell 22 Mitgliedstaaten beteiligt sind; aber die Mitgliedstaaten haben noch Zeit, ihre Zustimmung zu geben, da der Beginn der Operation offiziell auf den 30. November gelegt wurde.
Wollte man also zum heutigen Tag die Schlüsse ziehen, wäre Triton kaum mehr als eine reine Vorzeigeoperation, obschon die Mittel für die Frontex-Missionen in italienischen Gewässern mehr als verdoppelt würden. Und für heute war ein weiteres technisches Treffen von Rom und den Experten der Agentur aus Warschau geplant (Sitz von Frontex ist nämlich in Polen).
Doch warum zaudert man in Brüssel, so dass sogar der Frontex-Direktor, Gil Arias Fernandez, im Gespräch mit dem Libe-Ausschuss des Europäischen Parlaments erklärt hat, dass die Reichweite der Operation sowohl von den Beiträgen der Mitgliedstaaten abhängt, aber großenteils auch von der Entscheidung der Exekutive der EU über die Freigabe von Mitteln, die vorhanden sind, aber von denen man nicht weiß, ob sie zur Verfügung gestellt werden sollen?
Abgesehen von der Vorsicht, die die gesamten fünf Jahre der nunmehr am Ende ihrer Amtszeit angelangten Kommission Barroso II gekennzeichnet hat, ist eine weitere Erklärung vielleicht in der neuen Exekutive zu suchen, die vom Luxemburger Juncker geführt werden wird. Nach dem, was man in diesen Tagen hört, und bekräftigt durch den Entwurf eines Organigramms der neuen Kommission, das auf dem auf EU-Angelegenheiten spezialisierten Portal Euractiv veröffentlicht wurde, soll die den Liberalen angehörende Malmström, die sicherlich als schwedische Kommissarin bestätigt wird, ihr Mandat im Bereich Justiz behalten, jedoch den Geschäftsbereich Inneres, Einwanderung und Asyl an ein Mitglied der Volkspartei abtreten (an den Griechen Dimitris Abramopoulos, der eine Überraschung darstellt angesichts der Kritiken an Griechenlands Umgang mit der Situation von Flüchtlingen und Asylbewerbern im Land). Das würde erklären, warum so heikle Entscheidungen wie die über neue Mittel für Triton auf die kommenden Wochen verschoben werden könnten, wenn die Zuteilung der neuen Geschäftsbereiche offiziell sein wird (dies könnte am Dienstag der Fall sein). Oder die neuen Mittel werden nicht bereitgestellt und die Kommissarin Malmström hat beschlossen, ihre Hände in Unschuld zu waschen und die unbequeme Entscheidung ihrem Nachfolger zu überlassen.
Bestürzt und besorgt über die Richtung, in die sich die europäische Politik, oder besser Nicht-Politik, in Sachen Einwanderung entwickelt, zeigt sich die neugewählte EU-Abgeordnete der italienischen Demokratischen Partei PD Cécile Kyenge, vormals Ministerin für Integration der Regierung Letta: „Alfanos Enthusiasmus war übertrieben - erklärt sie gegenüber Redattore Sociale - ein Zeichen, dass der Minister es nicht abwarten konnte, Mare Nostrum zu schließen, doch die schnellen Ergebnisse, die Alfano erreichen wollte, sind nicht zu erkennen. Die mit Frontex Plus/Triton in Aussicht gestellte Lösung, ist reines Marketing und liefert keine politische Lösung für das Phänomen der Einwanderung nach Italien und nach Europa. Wir müssen das Dubliner Übereinkommen überdenken und das Prinzip der Freizügigkeit für diejenigen festschreiben, die in die EU kommen.“
Ist Kyenge also einer Meinung mit Grillo, dem Führer der Fünf-Sterne-Bewegung, der von Low-Cost-Flügen für die Migranten von Lampedusa spricht, so dass diese selbst entscheiden können, in welchem europäischen Land sie sich niederlassen möchten? „Es geht nicht darum, ob ich mit Grillo einer Meinung bin oder nicht - erklärt die EU-Abgeordnete - sondern darum, das auch in Artikel 80 des EG-Vertrags festgeschriebene Prinzip der gerechten Aufteilung der Verantwortlichkeiten unter den achtundzwanzig Mitgliedstaaten zu bekräftigen, wenn es um Einwanderung geht. Und es geht darum, Büros in den Transitländern einzurichten, in denen die Migranten Asyl beantragen können, um die Zahl der Toten auf See zu verringern, aber auch die Zahl derer, die in der Wüste oder auf dem Landweg zu den nordafrikanischen Küsten sterben.“
Als Kommentar zu den Gerüchten über eine Trennung des Geschäftsbereichs Inneres, Einwanderung und Asyl von dem der Justiz zeigt sich Kyenge besorgt: „Die Person, die nach dem, was man hört, das Mandat der Einwanderung übernehmen soll, erweckt kein Vertrauen in mir und ich finde es grundsätzlich falsch, diese Kompetenzen zu dem jetzigen Zeitpunkt voneinander zu trennen, an dem in Europa große Änderungen hinsichtlich Einwanderung vonnöten sind.“ (Maurizio Molinari)
Aus dem Italienischen von Renate Albrecht