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Freitag, 8. August 2014

Besuch bei der Sprar-Einrichtung von Vizzini: Eine Aufnahme, die sich ihren Weg durch die bürokratischen Hürden verschafft

Die  SPRAR-Einrichtung (sistema di protezione per richiedenti asilo e rifugiati: Schutzsystem für Asylbewerber und Flüchtlinge) von Vizzini, dem Geburtsort von Giovanni Verga in der Provinz von Catania, ist  2009 in einer Einrichtung unweit vom Zentrum neben dem Sportplatz eröffnet worden. Verantwortlich für Projekt ist die Gemeinde Vizzini, während es von der Kooperative Sol Calatino verwaltet wird. Letztgenannte kümmert  sich wiederum auch um andere SPRAR-Einrichtungen in der Gegend von Catania: Mineo, die nicht zu verwechseln ist mit der gleichnamigen CARA-Einrichtung (Centro di accoglienza richiedenti asilo – Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber), die ebenfalls von derselben Kooperative verwaltet wird), Grammichele, Scordia, Palagonia, San Cono, San Michele di Ganzaria, Mirabella Imbaccari, Licodia Eubea und Raddusa.
Der Bürgermeister der Stadt, der den ganzen Tag mit dem Umbauprojekt der Altstadt Cunzaria beschäftigt war, hat mir sofort die Möglichkeit gegeben, die Einrichtung zu besuchen und deren Mitarbeiter kennenzulernen. An diesem Projekt haben auch eine Frau aus Somalia und  drei Frauen aus Eritrea aus der Einrichtung, eine von ihnen mit einem Kind von 3 Jahren, teilgenommen.
Um 12.30 Uhr komme ich vor der Einrichtung an. Mir fällt sofort ein kleiner Spielplatz für Kinder vor einem Wohnanwesen mit drei Etagen auf. Auf den Balkonen sind neugierige, teils selbstbewusste, teils zurückhaltende Gesichter von einigen Frauen zu sehen. Der Bürgermeister erzählt, dass sich die SPRAR-Einrichtung von Vizzini  von anderen unterscheidet, da sie seit einem Jahr gemeinsam mit derjenigen von Palagonia eine Abteilung hat, die sich auf  Personen mit psychischen Erkrankungen spezialisiert hat. Vizzini beherbergt zwei Männer, die an postraumatischen Belastungsstörungen leiden. Diese sind auf die schwierigen Lebensbedingungen im Herkunftsland und auf die von ihnen erlittenen Schwierigkeiten bei der Anreise zurückzuführen.  Jeder von ihnen hat ein eigenes Zimmer in der ersten Etage der Einrichtung. Dort werden sie von einem Psychologen und der Sozialarbeiterin, Letteria, betreut. Ich spreche mit ihr. Sie erklärt mir, dass die Einrichtung Vizzini von dem etnopsychiatrischen Zentrum von Catania seit einiger Zeit unterstützt wird. Einer der beiden kommt aus Senegal und ist 37 Jahre alt. Er lebt seit 3 Jahren in Italien, hat aber noch  keine Dokumente seitens der örtlichen Behörde erhalten. Er erzählt, dass er zu seinem Bruder nach Frankreich reisen möchte und dass er zur Zeit ein Berufspraktikum bei der Straßen-Instandhaltung absolviere.
Ich gehe in die erste Etage. Die Koordinatorin der Einrichtung, Chiara Costantino,  erzählt mir, dass dort die Frauen mit ihren Kindern leben, die zu dem normalen SPRAR-Projekt zählen. Ich werde von neugierigen Kinderaugen empfangen, die sich hinter einer Tür verstecken und von anderen, die sich mit mutig mit einem Auto in der Hand nähern. Auf die Frage hin, wo die Ehemänner sind, gibt Chiara zu verstehen, dass einige allein gereist sind, verlassen worden sind oder in den schlimmsten aber nicht seltenen Fällen Opfer von Gewalt geworden sind. Ich betrete einige Zimmer, den Essenssaal und ein Gemeinschaftsbad. Jede Mutter lebt mit dem eigenen Kind in einem Zimmer. Die Zimmer sind sauber, hell und belüftet.  Das gleiche Bild ergibt sich mir auf der letzten Etage, die für die außerordentliche Aufnahme zur Zeit von 10 Personen bestimmt ist. Aktuell beträgt die Gästezahl 25 Personen mit einer maximalen Kapazität im Notfall von 35 Personen.
Chiara erklärt mir, dass alle Kinder je nach Alter in die Schule eingegliedert werden.  Sie erzählt mir auch, dass viele Frauen ein Berufspraktikum absolvieren und dabei sind eine Urkunde über die Alphabetisierung in der italienischen Sprache zu erhalten. Das grundlegende Problem ist jedoch die langsame Zustellung der Dokumente. „Die Polizeipräsidien sind zum Erliegen gekommen” sagen einstimmig Chiara und Letteria. „Die Wartezeit beträgt mindestens 1 Jahr und  die Situation bessert sich nicht”. Als Beispiel sind die seit 2005 in Italien lebende Frau aus Nigeria und eine aus Somalia, die auf ihre Dokumente seit mehr als einem Jahr warten und ihre Kinder in der Einrichtung groß zu ziehen, genannt.

Ich kann heute sagen, dass ich ein effizientes Aufnahmemodell kennengelernt habe. Ich habe mit kompetenten Personen gesprochen, die teils versuchen, das Leid angesichts der ermüdenden Wartens auf die Dokumente, die Bürokratie wird mehr und mehr zu einer Mauer, zu mildern.

Beatrice Gornati
Borderline Sicilia


Aus dem Italienischen von Thanh Lan Nguyen-Gatti