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Donnerstag, 14. August 2014

Die erschöpfende Konfrontation mit dem Unterbringungssystem, von Verlegungen und dem Verlust von Vertrauen in die Institutionen. Die Erfahrungen einiger in Ragusa untergebrachter Migranten

In der Provinz von Ragusa setzen sich in der Erwartung von neuen Ankünften die Verlegungen von Migranten fort. Bis heute sind im C.P.S.A. (Centro di Soccorso e prima Accoglienza: Zentrum zur Ersten Hilfe und Erstaufnahme) von Pozzallo 150 Menschen geblieben, um den Identifizierungsprozess abzuschließen, sowie 70 weitere im außerordentlichen Aufnahmezentrum von Comiso.

In der Zwischenzeit müssen die Migranten, die es bereits geschafft haben den Weg für die Erlangung des internationalen Schutztitels einzuschlagen, sich täglich mit den Widersprüchen und „schwarzen Löchern“ des Unterbringungssystems auseinandersetzen und haben immer mehr Mühe, in dieses zu vertrauen. Unter diesen Migranten sind auch welche, die im Erstunterbringungszentrums von Ragusa untergebracht sind, verwaltet von der Kooperative Arc.En.Ciel., seit Jahren ein Bezugspunkt für die linguistische und kulturelle Mediation in der Provinz.


Ich erreiche die Einrichtung in den frühen Stunden eines sehr heißen Nachmittags. Die Straßen des Stadtzentrums sind immer noch verlassen und am Tor treffe ich gleich auf Z., einen Jungen aus Gambia, der seit Stunden darauf zu warten scheint mit jemandem zu sprechen. Z. erzählt mir gleich von seiner Ankunft in Italien und von dem Weg, den er seitdem verfolgt hat, welcher im Punkt der Verlegungen denen von 9 Anderen der 12 im Zentrum Untergebrachten ähnelt. Im Januar in Pozzallo angekommen, ist er etwa anderthalb Monate im C.P.S.A. geblieben, um dann direkt hier in die Via Leggio verlegt zu werden, um den Prozess des Ansuchens um Asyl durchzuführen, der leider vor ein paar Tagen mit einer Ablehnung des Ersuchens um internationalen Schutz von der territorialen Kommission abgeschlossen wurde. Z. erzählt mir von der guten Aufnahme, die er von der lokalen Bevölkerung von Pozzallo erfahren hat, wo er es sogar geschafft hat, erste freundschaftliche Beziehungen zu Italienern aufzubauen. Aber die Hitze lässt nicht nach, so dass wir uns entscheiden, ins Innere umzuziehen, wo er mich den anderen Jungs vorstellt und ich auch eine der Mitarbeiterin des Zentrums treffe, Stefania Criscione.

Wir setzen uns alle an den Tisch, vor uns Gläser mit kaltem Wasser, wo augenblicklich sechs von zwölf zur Zeit im Haus anwesenden Jungs zu uns stoßen. Die Mitarbeiterin erklärt mir, dass dies vormals ein Sprar-Zentrum war, demnach der zweiten Unterbringung gewidmet, aber seit Beginn des Jahres zu einem Erstunterbringungszentrum für Erwachsene umfunktioniert wurde. Im Moment leben hier 10 Jungs aus Gambia, einer aus Guinea und einer aus der Elfenbeinküste. Das Zentrum wird von 5 Angestellten verwaltet, darunter Mitglieder der Kooperative, Köchin und Reinigungskräfte, die in Schichten bis zum Abend in der Einrichtung arbeiten. Letztendlich ist die Situation besonders heikel, da der Großteil der hier Untergebrachten eine Ablehnung ihres Ansuchens um Asyl erhalten hat; etwas, wie sie mir sagt, das immer öfter denjenigen passiert, die aus Gambia kommen. Das bedeutet für sie den Ausstieg aus den staatlichen Dienstleistungen, ohne die Möglichkeit in anderen Unterbringungseinrichtungen unterzukommen, auch in dem Moment, in dem sie eine Aufenthaltserlaubnis nach der Berufungsklage erhalten. Die Kooperative wird sich mit ihren Anwälten für eine Berufung im Verfahren einsetzen, aber bis heute weiß sie noch nicht, wie sie ihnen helfen kann, zukünftig eine Unterkunft zu finden. Das alles zeigt die Kurzsichtigkeit des Unterbringungssystems und der Gesetzgebungen, die von oben die Wege der Migranten regeln, ohne sich realistisch mit ihren Lebensbedingungen auf dem Territorium und ihren Bedürfnissen als neu in Italien angekommenen Flüchtlingen auseinanderzusetzen.

Die Jungs wünschen sich merklich zu sprechen und Stefania überlässt ihnen das Wort. Unter ihnen beginnt L., ein sehr junger Gambier, in einem flüssigen Englisch von seinem fast totalem Misstrauen in die italienischen Regeln und Gesetze zu erzählen, mit denen er sich konfrontieren musste. L. vertraut mittlerweile auch den Personen, die für die Migranten arbeiten, nicht mehr. Er fragt mich detailliert nach den Gründen meines Besuches aus und vertraut mir an, dass alle Angestellten, Journalisten, Freiwilligen und Wissenschaftler, mit denen er bisher gesprochen hat, versprochen hätten ihm zuzuhören, seine Aussage nach draußen zu tragen und vor allem mindestens noch einmal zurückzukommen, um ihn zu besuchen, aber niemand hat dies je getan. Die jungen Männer scheinen wirklich der Situation müde, wenn auch nicht resigniert, und beschweren sich darüber, dass es nicht möglich ist, Beziehungen außerhalb des Zentrums aufzubauen. Gelegentlich organisieren sie Fußballspiele mit anderen Migranten, die in den anderen Zentren Ragusas untergebracht sind, aber sie sagen mir, dass sie sonst in der Stadt keine weiteren Anknüpfungspunkte finden. „Hier sind die Menschen rassistisch“, betont L. „Ich habe die Ablehnung der Kommission erhalten und das Gesetz besagt, dass ich kostenlos eine Berufung einlegen kann, aber dann muss ich für die Einschreibung als Berufungskläger bezahlen! Was bedeutet das? Welchen Sinn hat es? Ich fühle mich auf die Schippe genommen. Wenn ich mit den Italienern spreche, sagen sie, das alles sei die Schuld von Europa und nicht von der italienischen Regierung, kannst du mir sagen wer Schuld ist? Was soll das, mir einerseits Hilfe anzubieten und mich andererseits zu zwingen, dieses zu bezahlen, ohne dass ich arbeiten darf?“ Die Diskussion wird wirklich lebhaft, ein weiterer Junge mischt sich ein und sagt mir: „Mein Problem ist nicht das Gesetz, es ist nur die Arbeit. Wenn ich nichts verdiene, kann ich nichts machen, aber wie soll ich eine Arbeit finden, wenn ich immer noch auf eine Aufenthaltserlaubnis warten muss und niemanden kenne? Außerdem habe ich diese Regelungen wirklich satt, die sich ständig ändern. Hier im Zentrum haben sich die Regeln mindestens zwei Mal in den letzten Monaten geändert. Wir reden mit den Verantwortlichen und das ist positiv, weil man sich konfrontiert, aber warum muss ich Regeln für die Abwicklung meiner Mahlzeiten haben? Warum versprechen sie uns oft Dinge, die sie dann nicht halten?“ L. führt unaufhaltsam seine Beschwerde fort: „Ich will in Italien bleiben, ich will hier leben. Aber wie kann ich es schaffen jemandem zu vertrauen, der mir auf dem Papier eine Sache verspricht und mich dann alleine lässt?“ Wir sprechen über die Zukunft und ich schlage ihnen vor, andere Vereinigungen zu kontaktieren und kennenzulernen, andere Organisationen der Gegend, die ihnen nützliche Informationen geben könnten und ihnen ermöglichen würden verschiedene Stützpunkte kennenzulernen, in dem Moment, in welchem sie das Zentrum zwingend verlassen müssen. „Es stimmt, das Wichtigste sind die Kontakte mit neuen Leuten. Ich bin auf der Suche nach menschlichen Kontakten, aber wie viele Enttäuschungen erwarten mich noch?“ Währenddessen fragen einige Jungs nach Informationen über den Blog: „Wir schauen uns den gleich an“; aber vor allem fragen sie: „Du kommst wieder vorbei, oder? Auch um zu wissen, wie viele von uns hier geblieben sind. Es ist hart, aber wir geben nicht auf!“

Lucia Borghi

Borderline Sicilia Onlus

Aus dem Italienischen von Philine Seydel