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Montag, 28. April 2014

Der ewige Notstand: die außerordentlichen Aufnahme-Zentren (CAS)


Der Logik der „Notstandskoordination“ der Einwanderung folgend besteht, wie wir bereits mehrmals bekräftigt haben, neben der allarmierenden Situation in den staatlichen Aufnahmezentren und den Transiteinrichtungen, die oft zur langfristigen Aufnahme dienen, das Problem der nicht formellen, sogenannten außerordentlichen Aufnahme-Zentren (CAS). Diese werden immer zahlreicher und ihre Tätigkeit beschränkt sich immer öfter  auf Kost und Logis.
Es handelt sich bei den CAS um Einrichtungen verschiedener Art, Hotels, Frühstückspensionen, Privathäuser oder eigens angemietete Wohnungen. Die Leitung der CAS, die mit der örtlichen Präfektur ein Abkommen abschließt, verpflichtet sich für die Vergütung von 30–35 Euro pro Migrant und Tag, die zur Aufnahme vorgesehenen Dienstleistungen zu gewährleisten.

Die von den CAS angebotene Aufnahme, die häufig im Zeichen einer fehlenden Vorbereitung steht, ist zurückzuführen auf die Abkommen mit der Präfektur, welche als einzige wesentliche Voraussetzung die Verfügbarkeit von Plätzen fordern. Wer sich um die Aufnahme kümmert, ob er Erfahrung oder eine besondere Eignung für diesen Arbeitsbereich hat, ist eher unbedeutend. Auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Leitung das Abkommen vor allem aus Profitgründen geschlossen hat und dass sie am Ende viel mehr erwirtschaftet wird als sie für die Betreuung der Migranten ausgibt, ist zweitrangig. Im Übrigen sind  wirtschaftliche Gründe Priorität für viele, in der Erstaufnahme tätigen Unternehmen!

In den CAS mangelt es häufig nicht nur an einer angemessenen Vorbereitung sondern auch an einem Kontrollsystem der besagten Einrichtungen. Auch wenn diese Strukturen nur zur Bewältigung eines  Unterbringungsnotstandes in Betrieb genommen wurden, darf es trotzdem nicht sein, dass Asylantragssteller in vielen dieser Zentren über den ganzen Zeitraum bis zu ihrer Anhörung bei der Territorialkommission grundlegende Dienste, wie Rechtsberatung und psychologische Betreuung, verwehrt bleiben. 

Folglich ist es interessant die juristischen Voraussetzungen dieser Aufnahme, die auf Abkommen zwischen Strukturleitung und Präfektur basiert, zu analysieren. Das Rundschreiben des Innenministers vom 20. März 2014, Betreff „Andrang von ausländischen Bürgern als Folge von weiteren Schiffslandungen entlang der italienischen Küste“ ist diesbezüglich die neueste Maßnahme. Für die Existenz der CAS und die dafür nötigen Abkommen wird das Rundschreiben zur Zerreißprobe.

Es enthält zusätzlich zum Notstandsplan, welcher bereits 115 Einrichtungen sprich 5.500 Plätze geschaffen hat, einen weiteren Notstandsplan. In Anbetracht der anhaltenden Ankünfte und der Notwendigkeit der „staatsweiten Verteilung der besagten Ausländer“ werden die Präfekturen aufgefordert, für das Auffinden weiterer Einrichtungen in ihrem Zuständigkeitsgebiet zu sorgen. Es handelt sich um ungefähr 2400 weitere Plätze. Die zeitliche Frist der Abkommen endet am 30. Juni 2014, aber wie immer wird kurzfristig gehandelt. Sollte die Frist bis zum Ablaufdatum nicht verlängert werden, endet auch dieser Notstand wie der Notstand Nordafrika, bei dem von einem Tag auf den anderen tausende Personen auf der Straße gelandet sind. Dem Rundschreiben wurde ein maximaler Verteilungsplan, welcher nach territorialen Bedürfnissen abgeändert werden kann, beigelegt. Dem zu Folge soll jede der 59 italienischen Provinzen 40 Migranten aufnehmen, mit Ausnahme von Sizilien. 

 

Die Abkommen bezüglich der außerordentlichen Aufnahme-Zentren sehen folgende Leistungen vor:

  • Verwaltung: Kontrolle und Überprüfung der vollen Funktionalität und Effizienz der Struktur
  • Allgemeine Betreuung der Person: Verhaltensregeln im Inneren der Struktur, Wäscherei
  • Umwelthygiene
  • Ausgabe der Mahlzeiten
  • Ausstattung mit folgenden Gütern: Bettgestell, Matratze, Produkte zur Körperhygiene, Bekleidung, tägliches Taschengeld von 2,50€ und eine Telefonkarte zu 15€ bei der Ankunft
  • Dienstleistungen zur Förderung der Integration: Information zur Einwanderung und den Rechten und Pflichten von Migranten, sprachliche und kulturelle Betreuung
Wie bereits aus dieser Liste abgeleitet werden kann, wird die Kontrolle und Überprüfung der vollen Funktionalität und Effizienz der Struktur der Strukturleitung selbst anvertraut. Auch die Garantie einer Rechtsberatung für die Asylantragssteller ist schwach.

Die Abkommen mit den CAS, welche auf dem Papier wie es scheint ausreichend durchdacht scheinen, sind im Wesentlichen überhaupt nicht ausreichend, um eine angemessene Aufnahme zu garantieren. Sie messen weder grundlegenden Diensten wie der Rechtsberatung genügend Bedeutung zu, noch garantieren sie ein Kontrollsystem der zu erbringenden Leistungen. Dies alles ist der Ermessensfreiheit der Strukturleitung überlassen. So kommt es, dass im Wesentlichen weder die Zusammenarbeit mit territorialen Diensten, noch jene mit kulturellen Mediatoren, Rechtsberatern, Psychologen oder Ärzten garantiert wird. Die Tätigkeit des Personals vor Ort beschränkt sich meist auf die Ausgabe der Mahlzeiten und die „Überwachung“ der Struktur.

Überfliegt man die Abkommen, findet man als Voraussetzung, dass die Zweckmäßigkeit der Einrichtung im Moment der Inbetriebnahme von der Präfektur überprüft werden muss, allerdings ist nicht klar definiert  von wem, wie und wann. In einer weiteren Klausel behält sich die Präfektur die Befugnis vor, „jederzeit direkte Überprüfungen durch ihre Beauftragten veranlassen zu können, um die exakte Erfüllung der Leistungen sicherzustellen.“  Aber wie bei den staatlich geführten Zentren auch wurde kein einheitliches Kontrollsystem entwickelt und es wurden keine dafür nötigen Ressourcen vorgesehen. So wird auch die Kontrolle dieser Strukturen dem Belieben jeder einzelnen Präfektur überlassen. Kontrollen geschehen meist nur sobald humanitäre Organisationen auf gravierende Mängel hinweisen.

Aus dieser „Analyse“ ergeben sich verschiedene Fragen und Überlegungen. Die erste Frage, die sich stellt, lautet aber: Warum wird weiterhin ein Notstandsaufnahmesystem dieser Art finanziert, ohne jegliche Planung und Professionalität, welches den Respekt der Rechte der Migranten nicht garantiert und fortwährend ein mangelhaftes und zerbrechliches Asylsystem füttert, während die Schutzprogramm-Zentren für Asylantragssteller und Flüchtlinge (SPRAR) noch über 6.500 freie Plätze verfügen?

Giovanna Vaccaro
Die Redaktion von Borderline Sicilia
Aus dem Italienischen von Elisa Tappeiner