Man stelle sich vor, wie schwierig es wohl gewesen sein muss, in ein Lager von 40 hilflosen Flüchtlingen einzudringen, um ihnen mitzuteilen, dass sie sich darauf vorbereiten müssen, in ein Aufnahmezentrum zu gehen. Das war eine gefährliche Aufgabe, die gestern Morgen von der städtischen Polizei, begleitet von dem Vize- Präfekten von Caltanissetta, ausgeführt wurde. Eine so komplizierte Aktion, dass ihre Planung laut Bürgermeister der Stadt ganze 8 Monate gedauert hat.
Dieser ist
gestern Morgen interviewt worden, während im Hintergrund die Bagger die
Matratzen und alle Einrichtungsgegenstände wegbrachten, mit denen sich hunderte
Asylbewerber selbst beholfen haben. Sie waren gezwungen, Monate bis zur
Identifizierung und Aufnahme zu warten. Natürlich lautet die Botschaft dieses Einsatzes,
auf die die Befürworter bestehen, nicht unbedingt, dass diesen Personen endlich
das Recht auf Aufnahme gewährt worden ist. Vielmehr heißt es, dass die
Sportanlage, die aufgrund eines Feuers im August 2012 nur teilweise nutzbar war,
endlich wieder der Stadt zurückgegeben worden ist. Und so ist nun ein
24-Stunden-Überwachungsdienst
seitens der städtischen Polizei eingerichtet worden, um zu gewährleisten, dass
der Dreck nach der "Meister Proper-Aktion" nicht zurückkehrt. Eine
teure Investition, um die Sicherheit der Sportanlage zu gewährleisten.
Wenn man
dies hochrechnet, kommt spontan die Frage auf, ob es möglich gewesen wäre, das
gleiche Geld für das Einrichten einer Nachtunterkunft für diejenigen, die
darauf warten, identifiziert und aufgenommen zu werden, aufzuwenden. Wer träumt
schon davon, im Freien zu schlafen, indem
er sich in Sportanlagen einschleicht, selbst wenn es eine der schönsten
Sommernächte ist, wenn er an einem sicheren Ort mit 4 Wänden schlafen könnte?
Diesbezüglich
fragen wir uns, ob der Bürgermeister und Vertreter der Bezirksregierung mit der
Umsetzung dieses Einsatzes auch vorgesehen hat, auf Bezirksebene, ein System
zur Aufnahme zu strukturieren, um die unverzügliche Identifizierung und
Aufnahme denjenigen zuteilwerden zu lassen, die weiterhin ankommen werden.
Tatsächlich
sind schon einige Stunden nach der Räumung die ersten Zweifel zu diesem Punkt
aufgetaucht. Schon gestern ist ein kleines Lager in der schlammigen Zone in der
Nähe einer Brücke entstanden, in dem ca. 10 obdachlose Flüchtlinge Schutz gesucht
haben. Und wiederum fragen wir uns: Was haben die zuständigen Behörden veranlasst,
um endgültig die Situation der Asylbewerber zu lösen, die seit Monaten
außerhalb der staatlichen Einrichtung in Erwartung der Anerkennung ihrer Rechte
hausen?
Vielleicht
der Bericht des TG 2 (Telegiornale-Nachrichtensendung), der Mitte Januar
gesendet wurde und die schwierige Lage meldete? Oder der
Besuch der Behausungen durch den EU-Parlamentarier Salvatore Jacolino, der
empört über die Situation (eines Aufnahmesystems, das die Politik der Koalition
unter Führung seiner Partei im vollsten Maße ausdrückt), die Räumung des
Zeltlagers und kürzere Wartezeiten für die Asylbewerber gefordert hat? Oder
vielleicht die Besuchsrunden der verschiedenen Politiker, die in den Lagern
angesichts der Wahl im Juni erfolgt sind?
Es ist
beruhigend, dass ein Vertreter Europas derselben Partei, die das Gesetz
Bossi-Fini, den Straftatbestand der illegalen Einwanderung und des gesamten
Sicherheitspakets, mit dem die Europäische Rückführungsrichtlinie auf die
schlimmste Art und Weise umgesetzt wurde, indem die Untersuchungshaft bis auf
18 Monate verlängert wurde, nun einen größeren Schutz der Migranten fordert ...
wenn auch stets im Hinblick auf die Sicherheit und der Rechte der Bürger, die Sportanlage
ihrer Stadt zu benutzen. In jedem Fall können wir bestätigen, dass eine
Veränderung schon seit geraumer Zeit zugange gewesen ist. Tatsächlich ist seit
einigen Wochen die Anzahl der Personen, die in den Behausungen gelebt haben,
plötzlich von 160 auf 40 geschrumpft. Außerdem haben wir von einigen
Jugendlichen erfahren, dass das Polizeipräsidium seit einigen Tagen die
illegale Praxis aufgegeben hat, die Namen der Ankommenden auf eine informale
„Warteliste“ zu vermerken, und dass die Identifizierung den Asylbewerbern
direkt bei der Ankunft bei der Einwanderungsbehörde des Polizeipräsidiums
gewährleistet wurde.
Der
empfindliche Rückgang der Anzahl der Personen in den Behausungen würde von
diversen Faktoren abhängen: Als erstes
von dem Rückgang der Ankünfte während dieser Wochen, was vielleicht auf die
zahlreichen Zurückweisungen der Kommission zurückzuführen ist, daher schreckten die
Migranten davon zurück, nach Caltanissetta zu kommen; oder
vielleicht von der Wirksamkeit der Abschiebungen, die von der Türkei und
Griechenland, das durch die britische Regierung zur Bekämpfung der illegalen
Einwanderung unterstützt wird, umgesetzt werden. Ein weiterer erwähnenswerter Umstand,
der zur plötzlichen Veränderung der Situation der Behausungen beigetragen hat,
ist die ebenfalls in den letzten Monaten in der Provinz erfolgte Erweiterung
um ca. 70 Plätze in den schon bestehenden Notaufnahmeeinrichtungen. Denn 70
neue Plätze wurden in der Ipab-Einrichtung, einem Ex-Altersheim in San Catalado, das erst kürzlich zur Aufnahme von Migranten umgewandelt, gefunden, und dort wurden gerade diejenigen
untergebracht, die gestern zwangsgeräumt wurden (in der totalen Panikmache der
Bevölkerung, die es nicht als geeignet erachtet, die Migranten in einer
Einrichtung nahe des Stadtzentrums in der Nähe einer Grundschule
unterzubringen). Weitere 70 Plätze sind auf mysteriöse Weise in Notstandseinrichtungen geschaffen worden, die von der Präfektur nach der im letzten Dezember stattgefundenen
Ausschreibung abgesegnet wurden.
So auch
die Unterkunft im Hotel Alessi von Mazzarino, das dazu übergegangen ist,
von anfänglich 30 nunmehr 50 Personen unterzubringen. Die Kapazität des
Zentrums Madre Speranza, das schon
70 Personen untergebracht hat, ist um eine Anzahl von 10 Gästen angestiegen . Und außerdem hat sich die Anzahl der Personen, die
in den Unterkünften, die von der Kooperative Petix di Montedoro verwaltet
werden und bei der sich die Aufnahme von 12 auf 27 Personen
erhöht hat, mehr als verdoppelt. Die Anzahl der Plätze in der von
Montesolidale verwalteten Einrichtung,auch in Montedoro gelegen, hat sich von 8 auf 12 erhöht. Auch
das Zentrum PROCIVIS in Gela, das wir Ende Dezember besucht und bei der wir die
absolute Ungeeignetheit der Einrichtung und der Verwaltung festgestellt haben ("Le strutture d'emergenza") ,
ist um einige Plätze erweitert worden. Trotz der schwerwiegenden
Unstimmigkeiten zwischen dem Betreiber und acht Migranten, die in das CARA (Centro
di accoglienza di richiedenti asilo-Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber) in
Pian del Lago verlegt wurden, nachdem sie die entwürdigende Behandlung und die
absolute Nachlässigkeit der gesundheitlichen Probleme angezeigt hatten, sind gut
weitere 15 Personen in die diesbezügliche Einrichtung erbracht worden.
Was kann man
noch zum CARA in Pian del Lago sagen? Es beherbergt 490 Personen, ca. 40
Personen mehr als dessen tatsächliche Aufnahmekapazität. Es ist leicht, zu
ahnen, wie dieser Überschuss verwaltet wird: Mit der Überbelegung der Zimmer,
der Container und der wenigen Gemeinschaftsräume; zum Nachteil der Bewohner und
zum wirtschaftlichen Vorteil des Betreibers. Man riskiert, sich zu wiederholen,
wenn man, aufgrund der Tatsache, dass bestimmte Dinge sich niemals ändern, noch
einmal über das Innenleben im Zentrum Bilanz zieht. Die Bewohner beschweren
sich, dass man bei gesundheitlichen Problemen jeglicher Art von der
Krankenstation, an die man sich wende, lediglich eine Paracetamoltablette
erhalte, und dass bei ernsthaften Problemen keine Untersuchungen durch Spezialisten
und auch keine Behandlung in den Räumen der Poliklink erfolgen. Trotz der Vereinbarung, durch die Auxilium die Ausschreibung zum
Betreiben der staatlichen Einrichtung gewonnen hat, die mehr als
6.000.000 Euro zur Instandhaltung der Einrichtung (über den 18.000.000 Euro zum
Betreiben der Einrichtung hinaus) vorsieht, ist noch keine
Instandhaltungsmaßnahme in Angriff genommen worden, und die Situation des
Gesundheitswesens verschlechtert sich täglich. Es verbleibt auch das Problem
des Taschengeldes, das durch das Aufladen des elektronischen Schlüssels,
benutzbar nur für die in der Einrichtung vorhandenen Getränke- und
Zigarettenautomaten,gewährt
wird, so dass die Asylbewerber nicht einmal über den lächerlichen, für sie
bestimmten Betrag verfügen können.
Eine positive
Nachricht ist, dass scheinbar endlich ein kontinuierlicher Italienischkurs
organisiert worden ist, und dass regelmäßig Produkte zur Körperpflege verteilt
werden. Die Wartezeiten zur Anhörung und somit die Aufenthaltszeiten in der Einrichtung
betragen noch 12 Monate, aber die Präfektur hat die Zusage der Kommission
versichert, 70 Anträge im Monat überprüfen zu wollen. Dies würde die
derzeitigen Wartzeiten halbieren und die gesetzlich vorgeschriebene Frist von
MAXIMAL sechs Monaten garantieren.
Giovanna
Vaccaro
Redaktion
borderline-europe
Aus dem Italienischen von Thanh Lan Nguyen-Gatti