PALERMO – Es waren nicht nur Zahlen, sondern Menschen, die eine Geschichte hatten und vor allem einen Traum, der auf brutale Weise zerplatzte, als sie im Meer ertranken. Es waren die über hundert afrikanischen Migrant*innen, die auf dem Rotoli-Friedhof in Palermo beigesetzt sind, derer man sich gestern bei einem von den Comboni-Missionar*innen organisiertem, religionsübergreifenden Treffen erinnern wollte.
Es wurde auch all der anderen tausend Personen gedacht, die nicht einmal ein Grab besitzen, weil sie auf dem Meeresgrund liegen. An dem Treffen nahmen nicht nur viele Bürger*innen teil, die sich schon seit Langem für Fluchtangelegenheiten engagieren, sondern auch Vertreter*innen der waldensischen, muslimischen und katholischen Glaubensgemeinschaft.
„Der vorzeitige Tod ist ein dramatischer Ausgangspunkt, der uns weiterhin dazu bringen muss, in Frage zu stellen und uns zu empören, immer mit einem Blick in die Zukunft, sagt der Combonianer Domenico Guarino. „Wir können inzwischen sicher sagen, dass es sich nicht um tödliche Arbeitsunfälle handelt. Wir wissen sehr wohl, dass es dafür Verantwortliche gibt, da es sich um Opfer eines Wirtschaftssystems handelt, das immer mehr all jene erdrückt, die am ärmsten und am zerbrechlichsten sind. Die Intention dieses Raums für religionsübergreifende Anteilnahme ist die, die Erinnerung hochzuhalten, um, jede*r im Kleinen, etwas zur Veränderung beizutragen, die unausweichlich mit der Verurteilung des Systems beginnt.“
"Sie sind aufgebrochen und trugen die Erde, die aufstieg wie ein Gebet, in ihren Schritten, in ihren Blicken“, liest die Direktorin des waldensischen diakonischen Zentrums La noce, Anna Ponente, aus der Zeugendichtung von Adonis. „Erzählen dem Meer Traurigkeit und Unglück. Furchtbare, in ihren Wunden fließen Eufrat und Tigris. Die Liebe für die Nächsten ist ihr Morgen: grenzenlose Energie, der der Tod nur das zuflüstert, was das Leben ausruft.“
Als Vertreter*innen der muslimischen Welt waren Nadine Abdia von der Kulturberatung und Ahmad Francesco Macaluso von Coreis (Italienisch-Muslimische religiöse Gemeinschaft) anwesend. „Am heutigen Tag“, unterstreicht Nadine Abdia mit Nachdruck, „wollen wir uns der Toten erinnern, um das zu ändern, was wir nun schon seit über 17 Jahren erleben und was immer noch Ausnahmezustand genannt wird. Jedem lebenden Menschen kann nicht das Recht verweigert werden, auf ein besseres Leben zu hoffen, für eine Zukunft die vor allem von einem würdevolleren Leben ausgeht.“
„Für uns Muslim*innen hat die Migration einen hohen spirituellen und weltlichen Wert. Diese gemeinsamen Momente helfen dabei, nachzudenken und zu verstehen, dass leider immer noch Menschen im Meer sterben und dass es Zeit ist, Abstand zu nehmen von gewissen scheinheiligen Entscheidungen, die sich als Weisheit verkaufen“, sagt Ahmad Francesco Malcaluso in seiner Rede. „Ganz sicher dürfen wir uns keinem Wirtschaftssystem beugen, das Gerechtigkeit und Gleichheit im Namen anderer Interessen opfert.“
Zum Abschluss der religionsübergreifenden Zusammenkunft ging jede*r der Teilnehmer*innen zu der Stelle, an der einige Leichname von Migrant*innen beigesetzt sind, um eine Blume niederzulegen und die Nähe durch ein Gebet auszudrücken.
Serena Termini
Aus dem Italienischen übersetzt von Anna Vollmer