Foto: Clement Delamotte |
Die Eröffnung des Zentrums unweit der „Villa Daniela“, einem ehemaligen Hotel in der Badezone von Gela, hatte zunächst zu einigen Spannungen geführt. Grund dafür war die Besorgnis der Ortsansässigen über die Unterbringung von insgesamt 150 Migrant*innen in derselben Einrichtung. Die Bürger haben sich daraufhin zu einem Beirat zusammen geschlossen und ein Dokument verfasst, in dem sie unter anderem forderten, die Polizei solle auch außerhalb des Aufnahmezentrums dauerhaft in der Stadt präsent sein.
In der lokalen Presse finden sich weiterhin viele Artikel, die stets pünktlich über die Meldungen der alt bekannten „Forza Nuova“ zum Beispiel oder dem Komitee „Noi con Salvini“ berichten. Dabei wird keine Möglichkeit ausgelassen, Argwohn und Misstrauen in der Bevölkerung zu schüren, sei es durch Pressemitteilungen oder Initiativen wie „Passeggiate per la sicurezza“, die letztlich nichts anderes als Streifgänge sind.
Und wieder handelt es sich um ein weiteres Beispiel für die unverantwortliche Führung eines Aufnahmezentrums, das statt die Flüchtlinge ordentlich zu verteilen eine zu große Anzahl von Migrant*innen in nur einer einzigen Einrichtung unterbringt. Dies schürt nicht nur soziale Konflikte, sondern bietet auch guten Nährboden für populistische und xenophobe Instrumentalisierungen.
Vor diesem aus soziopolitischer Sicht ungünstigem Hintergrund, kommt die Isolierung der 150 Asylsuchenden vom städtischen Zentrum hinzu. Sie sind im ehemaligen Hotel „Villa Daniela“ untergebracht das gut 15 Kilometer vom Zentrum Gelas entfernt liegt.
Am 31. März befanden wir uns am Eingang der Unterkunft, um unsere Kontrollen durchzuführen. (Hierfür beschränken wir uns auf den Blick von außen, wie wir es seit nunmehr einem Jahr in der Provinz von Caltanissetta machen, gemäß den Vorschriften des Ordnungsamtes in Folge unserer Anträge auf Genehmigung für Besuche in den Zentren.) Es reichte bereits das Zentrum von außen zu begutachten, um zu wissen, worin der größte Kritikpunkt dieser Einrichtung liegt: Es ist die räumliche Enge, in der die Migrant*innen untergebracht sind.
Foto: Clement Delamotte |
Nach Gesprächen mit einigen von ihnen erfahren wir, dass die Betreiber der Unterkunft einen Pendelbus eingerichtet haben, der jeden Nachmittag drei mal (um 15.00, 16.00 und 17.00 Uhr) vom Zentrum abfährt sowie drei mal (um 17.00, 18.00 und 19.00 Uhr) zum Zentrum zurückkehrt. Da der Bus nur über 17 Plätze verfügt, muss jeder, der mitfahren will, sich bereits am Morgen so früh wie möglich vormerken indem er seinen Namen in eine Liste einträgt. Es sind ca. 50, denen es gelingt sich für eine Fahrt einzutragen. Am wenigsten Glück haben jene, die sich für eine Fahrt um 15:00 Uhr eingetragen haben, denn sie müssen um 17 Uhr bereits ins Zentrum zurückkehren und haben daher nur eineinhalb Stunden Zeit zur Verfügung. Um diese Zeit ist es ihnen fast unmöglich ein Geschäft im Zentrum zu besuchen, denn für gewöhnlich öffnen die Geschäfte nachmittags erst wieder ab 16.30 Uhr. Den anderen Bewohnern des Zentrums in Manfria bleibt am Nachmittag nichts anderes übrig als sich schlafen zu legen oder Cricket auf dem Sportplatz vor der Unterkunft zu spielen. Die Geselligsten versuchen ein bisschen mit den Leuten in der nahegelegenen Bar zu plaudern. Sie ist die einzige in der gesamten Umgebung.
Foto: Clement Delamotte |
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Für eine Aufhebung des Unterkunftsrechts für den einzelnen ist das nächstgelegene Ordnungsamt zuständig. Hierfür muss zuvor ein Antrag des Betreibers des Zentrums eingereicht werden. Dabei ist es ausgeschlossen, dass es auf Anfrage der Verantwortlichen des Zentrums zu einem direkten Polizeieinsatz kommt. Eine solche Maßnahme wäre illegal, denn sie würde die Bewohner*innen auf unsachgemäße Weise einschüchtern.
Es ist nicht das erste Mal, dass uns Bewohner aus Zentren der Genossenschaft „Progetto Via“ erzählen, dass sie als Antwort auf ihre Proteste im besten Fall hören „Keiner zwingt euch hier zu bleiben“, im schlechtesten Fall „Wer Probleme macht, der muss eben länger auf seine Anhörung bei der Kommission warten“ oder auch „Die Konsequenzen werdet ihr bei der Entscheidung der Kommission zu spüren bekommen.“
Anhand des Essens, das die Bewohner*innen erhalten, wollen wir versuchen herauszufinden, wie es um die Qualität der Strukturen und Dienstleistungen innerhalb des Zentrums bestellt ist: Frühstück gibt es von 8.00 – 8.30 Uhr. Es besteht aus einem Glas Milch und zwei bis drei zwei süßen Brötchen. Die Milch sei mit Wasser verdünnt (dasselbe wurde uns bereits von Bewohner*innen eines anderen Zentrums, das von der selben Genossenschaft geführt wird, mitgeteilt). Wer zu spät kommt, bekäme nichts mehr zu essen. Das Abendessen, das nach allgemeiner Ansicht der Bewohner*innen ebenfalls als dürftig beschrieben wird, wird um 19.00 Uhr serviert.
Das reichhaltigste Gericht sei das Mittagessen, sagen sie, das immer aus einem ersten Gang, einem Hauptgericht sowie Beilagen besteht. Leider sei das angebotene Brot oft schon einige Tage alt und daher nicht mehr essbar. Trotz der Tatsache, dass 98% der Bewohner*innen Muslime sind, würde kein Hallal-Fleisch angeboten werden, sodass den Strenggläubigen unter ihnen, wenn es Fleisch als Hauptgericht gibt, nichts weiteres übrig bleibt, als das Gericht entweder stehen zu lassen oder nur die Beilagen zu essen.
Zudem werden keine Wasserflaschen verteilt, auch wenn das Leitungswasser als nicht trinkbar gilt, weshalb die Bewohner*innen gezwungen sind Wasser von ihrem Taschengeld (2,50 Euro pro Tag) selbst zu kaufen. Das Taschengeld erhalten sie jedoch stets pünktlich, es sind 25 Euro alle zehn Tage. Vielen von ihnen kaufen sich von diesem Geld weitere Lebensmittel, als Ersatz für die Gerichte der Mensa oder um mehr essen zu können. Nachdem die Bitte um eine eigene Küche, in der die Bewohner*innen die Möglichkeit haben selbst Gerichte zu kochen mehrmals angebracht wurde, wird nun eine Küche mit zwei Kochfeldern ausgebaut, die den Geflüchteten zur Verfügung stehen soll. Einer der Bewohner*innen sagt jedoch, dass genau die Benutzung der Küche zusätzlich ein streitiges Thema zwischen den 150 Personen, die kochen möchten, werden könnte.
Natürlich gestaltet sich das Zusammenleben im Zentrum schwierig, denn die Anzahl der Mitbewohner*innen ist so hoch, dass es für den einzelnen fast unmöglich ist, eine Rückzugsmöglichkeit und etwas Intimität zu haben. Es gibt nur fünf-Bett-Zimmer mit jeweils einem Bad für alle. Einen Fernseher oder einen Gemeinschaftsraum geschweige denn WiFi gibt es nicht.
Der Italienisch-Sprachkurs findet an vier Tagen der Woche statt: zwei Kurse am Vormittag und einer am Nachmittag, eingeteilt in unterschiedliche Sprachniveaus. Rechtliche Unterstützung (keiner der Geflüchteten hatte ein Informationsschreiben zur Rechtsberatung erhalten, auch nicht bei der Ankunft im Zentrum) sowie eine Psychologin, die mit dem Zentrum zusammenarbeitet, gibt es nicht. Soweit es uns von den Bewohner*innen mitgeteilt wurde, besteht das Team aus zwei Italienischlehrerinnen sowie nur aus vier weiteren Mitarbeiter*innen, die u. a. als kulturelle Mediator*innen tätig sind, wobei einer von ihnen nur Englisch spricht und für die schnelle Erledigung der Vorgänge verantwortlich ist.
Die medizinische Versorgung wird durch einen Arzt sichergestellt, der das Zentrum zwei mal die Woche für eine Stunde besucht, doch auch dieser Service kann aufgrund der Überfüllung des Zentrums nicht richtig ausgeführt werden. So gibt es immer wieder Personen, die beklagen seit Monaten nicht die Möglichkeit zu haben sich dringend notwendigen Untersuchungen zu unterziehen.
Giovanna Vaccaro
Borderline Sicilia
Aus dem Italienischen von Marlene Berninger