Heute von dem zu erzählen,
was auf Sizilien rund um die Migrationsströme geschieht, ist noch schwieriger geworden
und, unter bestimmten Gesichtspunkten, beängstigend.
Um uns herum Schreckgespenster, die umherschweifen in der Ineffektivität der Zentren der „Nicht“-Aufnahme und der Toten, die zwischen Sperrholzbrettern anlanden, die mancher auch weiterhin Särge nennt.
Wir sprechen von Toten, die
wir nicht mehr zählen können angesichts der Lizenz zum Töten in den Händen
unserer nationalen und europäischen Regierungen, die diese ohne jeden Skrupel
gegenüber Kindern, Frauen und Männern jeden Alters und jeder Ethnie verwenden.
Die Toten sind die einzige Gewissheit
in einer historischen Zeit, in der wir an einem neuen Holocaust mitwirken; es gelingt
uns nicht, ihn zu stoppen, weil die Politiker gemeinsam mit den
Wirtschaftspotentaten beschlossen haben, dass das Töten die beste Lösung ist:
Für die Geschäfte, für die Kontrolle der Grenzen, für die Arbeitskraft zu
niedrigen Kosten, um Angst in der Bevölkerung zu säen, um Intoleranz und
Rassismus zu schüren.
Die Toten sind die einzige
Gewissheit, gegenüber unserer Unfähigkeit, die Stimme zu erheben, uns von der
Basis aus zu organisieren, um uns diesem täglichen Massensterben
entgegenzusetzen, um uns gegenüber den Politikern zu entrüsten, die Chaos und
Notstand hervorbringen, damit sie das Business der Immigration besser verwalten
können, und gegenüber der Scheinheiligkeit ihrer hohlen Erklärungen vor
willfährigen Journalisten.
Mehr als 2.400 Tote in 2015
(offizielle Zahlen, die nicht mit Sicherheit mit der wirklichen Zahl der Opfer
auf dem Meer übereinstimmen). Die letzten sind am 6. August in Palermo angekommen.
Es waren 26 Leichen, davon 3 im Alter von 11, 12, 13 Jahren. Eine Qual, diese
kleinen Körper ohne Leben zu sehen; eine Qual, die Eltern zu sehen, die von
einem gewaltigen Schmerz zerstört sind, unfähig, einen Grund für die Tatsache zu
nennen, dass sie ihre eigenen Kinder nicht gerettet haben.
Auch die Politiker Palermos
waren bei der Anlandung anwesend, mit dem Bürgermeister an der Spitze; aber
nicht einmal sie finden die Entscheidungen fraglich, die von einer Verwaltung voran
gebracht werden: Eine Entscheidung, die nicht über die eigene Nasenspitze
hinaussieht; einer Verwaltung, die fähig ist, neben den Leichen und den
Migranten im Hafen zu stehen und die die Menschen vergisst, sobald die
Scheinwerfer auf das Sterben wieder ausgehen.
Auch dieses Mal bleiben die
Opfer des Massensterbens ohne eine würdige Beerdigung. Und nicht nur das: Die
minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge werden ihrem Schicksal überlassen; bei
dem ersten SPRAR*-Projekt der Stadt hapert es an allen Ecken und Enden, weil die
Kommune als Verantwortliche nicht angemessen kontrolliert und keine
angemessenen Ressourcen und vorbereitetes Personal zur Verfügung stellt; sie
lässt die wenigen kompetenten Mitarbeiter alleine. Die einzig guten praktischen
Aktivitäten, auf die wir in der Stadt hinweisen können, sind das Zentrum Astali
und das Cus. Die Politiker Palermos, die übrigens in sozialen Netzwerken sehr
präsent sind, weinen und schimpfen dort über das Mörder-Europa, das sein
Verhalten ändern muss, schaffen es aber gleichzeitig nicht, den Etat
aufzustellen, um eine kulturelle Mediation in den Zentrum zu garantieren: Was
für eine Heuchelei und was für ein Chaos.
Es ist bewundernswert, die
Präfektin bei den Anlandungen im Hafen von Palermo zu sehen, aber es ist
weniger schön, dass einige Busse für die Überführung zwei Stunden nach der
Anlandung ankommen und zu sehen, dass einige Menschen ohne Kleidung abfahren,
ohne Schuhe, sogar in Unterhosen (mit den Freiwilligen der Caritas, die sich
die Beine ausreißen, um das Fass ohne Boden der palermitanischen
Aufnahmemaschinerie zu stopfen.)
Es
ist bewundernswert zu sehen, dass der Polizeipräsidenten von Palermo mit seinen
Leuten den Ankünften beiwohnt, aber weniger schön ist die wenig höfliche
Haltung der Funktionäre, die nicht ein Wort Englisch radebrechen und sich
einbilden, dass die Menschen, die gerade angelandet sind, Überlebende
traumatischer Ereignisse, sie verstünden; und es ist auch nicht schön zu sehen,
wie das Höchstalter der eher erwachsen wirkenden Jugendlichen oberflächlich
ermittelt wird, nur weil es in Palermo in den Zentren für die Minderjährigen
keine Plätze mehr gibt; und es ist darüber hinaus überhaupt nicht schön, dass
ca. 80 Menschen aus dem Maghreb vier Stunden in der glühend heißen Sonne
festgehalten werden, bevor sie einen Bus mit Ziel Immigrationsbüro besteigen
müssen, um dann mit ad-hoc-Flügen „an den Absender“ zurückgeschickt zu werden. Und
es wäre schließlich nicht schön, wenn man entdecken müsste, dass bei all diesen
Abschiebungen die Gesetze nicht eingehalten worden wären.
Insgesamt: So viele schöne
Worte, aber die Substanz besteht immer aus Ungerechtigkeit, Ineffizienz und
Verletzung der Menschenrechte, auch dank des Chaos, das zwischen den
Hauptakteuren des Aufnahmesystems herrscht: Wenig Einvernehmen und wenig
Konzeptplanung.
Aber das kommt nicht nur in
Palermo vor…
Alberto Biondo
Borderline Sicilia
*SPRAR: Sistema di
protezione per rifugiati e richiedenti asilo: Schutzsystem für Asylsuchende und
Flüchtlinge
Aus dem Italienischen von
Rainer Grüber