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Donnerstag, 2. Oktober 2014

Unser 3. Oktober. Ein Jahr nach dem Massaker von Lampedusa. Nicht ein Tag des Gedenkens, sondern der Mobilisierung

Der Jahrestag des 3. Oktober, als 368 Frauen, Männer und Kinder ihr Leben aufgrund eines Schiffbruchs verloren, findet in einer Welt statt, die von einer großen Anzahl asymmetrischer und unbekannter Konflikte geprägt wird, welche seit Jahrzehnten den Planeten kennzeichnen. Von Guantanamo zu den Halsaufschlitzern im Iraq, über zehntausende Tote in der Ukraine, in Gaza und Syrien, den erneuten Bürgerkrieg in Libyen und den verbrecherischen blutigen Diktaturen am Horn von Afrika. Die selbe Kultur des Hasses und des wirtschaftlichen Kalküls, in dem der Mensch und seine Wünsche nie an erster Stelle stehen, materialisiert sich in einem Horizont aus Zerstörung und Krieg, der in seiner Intensität und der globalen Modalitäten wahrscheinlich ohne Vorgänger ist.
Die westlichen Länder haben dazu beigetragen und tragen täglich dazu bei, diese Kultur zu verbreiten und diese Konflikte fortzuführen, deren direkte Folgen die Migrationen und die Todesfälle im Meer sind, von denen wir Zeugen werden.
Über Jahre haben wir gegen die Aufteilung zwischen Flüchtlingen und Migranten protestiert, da diese von allen Regierungen instrumentalisiert wird, um Menschen in Kategorien mit unterschiedlichen Rechten unterteilen zu können. Heute spielt die Asylthematik und die „Freiheit das eigene Leben zu leben“, wie es in Charta von Lampedusa steht, eine sehr wichtige Rolle. Sie ist zu der größten Herausforderin für die Grenzen, für die Souveränität, die Staatsbürgerschaften, selbst für die Menschenrechte geworden.
Ohne die in der Charta von Lampedusa festgehaltene Bewegungsfreiheit und das Bleiberecht für alle Migrant_innen zu vergessen, kann man die enge Verbindung zwischen den gerade stattfindenden Konflikten und den Personen, die in diesen Monaten Europa über das Mittelmeer erreicht haben, nicht ignorieren. Mehr wie 35% von ihnen sind Syrier_innen. Die anderen sind zum größten Teil Eritreer_innen, Somalier_innen, Palästinenser_innen, Kurd_innen.
Der 3. Oktober ist und darf nicht nur ein Tag des Gedenkens sein. Ein Tag an dem genau die Mächte, die tagtäglich die Zukunft aller aufs Spiel setzen, so tun als ob sie sich vor der Erinnerung an die Leichname dieser Tragödie verbeugen. Eine Tragödie die bestimmte politische Verantwortungen vorweisen kann, wie all die anderen die in den letzten zwanzig Jahren das Mittelmeer mit Körpern gefüllt haben.

Gedenktage werden in Erinnerung einer für immer hinter uns gelassenen Vergangenheit eingeführt. Der 3. Oktober ist jedoch noch keine Vergangenheit: Der 3. Oktober ist auch der 11. Oktober des gleichen Jahres, und dann im Jahr 2014 der 19. Februar, der 12. Mai, der 30. Juni, der 9. Juli, der 2. und der 28. August. Das sind alles Daten an denen Tode im Meer registriert wurden, bis zu 800 in den libyschen und maltesischen Gewässern allein in der zweiten September Woche. Desto mehr sich die Konflikte zuspitzen und sich verbreiten desto mehr Menschen flüchten und sterben. Desto mehr die europäischen Migrationspolitiken eine sichere Grenzüberschreitung der Migranten verhindern, desto mehr werden sie zu Komplizen der Tode dieser zehntausende Kriegsopfer.

Die Banalisierungen und Vereinfachungen der institutionellen Diskurse lässt in diesem Moment mehr denn je erschaudern. Noch mehr Angst bereitet die von vielen guten Gewissens angewandte Logik der Rettung im Meer als einzig möglicher Weg. Eine Logik, welche die bereits strukturelle Vermischung zwischen humanitär und militärisch alimentiert und die zwischen Italien und Europa stattfindende Debatte bezüglich der Umwandlung der Operation Mare Nostrum in eine extra für diese Gelegenheit verschönerte Version von Frontex alimentiert.
Man kann es nicht mehr als selbstverständlich betrachten, dass wer auf der Flucht ist sein Leben auf das Spiel setzen muss, um das Mittelmeer und seine Küsten zu erreichen, in der Hoffnung von irgendjemand gerettet zu werden.
Auch wenn uns bewusst ist, dass man die Ursachen der Kriege anschauen und betrachten müsste, in wie weit die Europäische Union Komplizin dieser Kriege und Verantwortliche der Tode im Meer (eine weiterführende Form des Krieges) ist, sind die ersten Forderungen die wir jetzt fortführen müssen für uns:
  • Die sofortige Abschaffung des Visumsystems und die Einführung eines Asylrechts ohne Grenzen, welches die Dublin Verordnung in all ihren Ausführungen endgültig aufhebt und so die echte Bewegungsfreiheit jener Personen, die in Europa internationalen Schutz suchen, und ein Bleiberecht am Ort ihrer Wahl garantiert.
  • Der sofortige Aufbau von Wegen die eine sichere Ankunft garantieren und die Menschen aus Konfliktzonen oder Grenzgebieten dieser Zonen direkt in Sicherheit bringen. Somit wird jede Hypothese das politische Asyl in sogenannten Extra-EU „Transitländern“ zu externalisieren aus dem Weg Geräumt. Denn Länder wie Libyen, Ägypten oder Tunesien, sind heutzutage nicht in der Lage einen Mindestschutz der Migrant_innenrechte zu gewährleisten.
  • Die Verbreitung eines würdigen Empfangs, der die Leben und die Wünsche der Männer und Frauen die nach Europa kommen respektiert und komplett die Notfalllogik und die Spekulation über Notfallsituationen ersetzt.
  • Der Kampf gegen all die politischen und medienwirksamen Kampagnen welche Migranten kriminalisieren und die, gerade mal ein Jahr nach dem Schiffbruch des 3. Oktobers, noch mehr als zuvor verantwortungslos und würdelos Flüchtlinge als „illegal“ bezeichnen und die Bevölkerung mit ausgedachten Seuchengefahren und terroristischen Gefahren, die durch Asylwege entstehen könnten, alarmieren und so ohne Zurückhaltung eine Kultur des Hasses, der Angst, des „Zusammenstoßes von Zivilisationen“ und der Islamphobie mit demagogischen Zweck alimentieren.

Die dafür notwendigen finanziellen Ressourcen sind vor allem in der sofortigen Schließung der europaweiten Abschiebungshaftanstalten für Migranten - ein Ziel für uns alle -  und einer anderweitigen Nutzung der für die Militarisierung des Mittelmeers und der anderen europäischen Grenzen vorgesehenen Kosten zu finden.

Damit der 3. Oktober nicht nur Gedenktag ist, damit an diesem Tag die institutionellen Heucheleien entlegitimiert werden können laden wir jede Bewegung, jeden Verein, jede einzelne Person ein sich in seinem Umfeld und im Geist der Charta von Lampedusa zu mobilisieren und dabei die oben genannten Forderungen zu übernehmen.

Erstunterzeichner:
Rete Antirazzista catanese, Comitato nomuos nosigonella (Catania), Coordinamento Antirazzista palermitano, Melting Pot Europa, Rifondazione Comunista, CIPSI - Coordinamento Iniziative Popolari di Solidarietà Internazionale, Laboratorio 53 (Roma), Le Mafalde (Prato), Ambasciata dei dei Diritti (Ancona), Ambasciata dei Diritti (Macerata), Centri Sociali delle Marche - Spazio comune autogestito TNT (Jesi), Csa Sisma (Macerata), Csa Asilo Politico (Ancona), Csa Kontatto (Falconara), Spazio Autogestito Arvultura (Senigallia), Csa jolly Roger (Civitanova Marche), Csa Fabbri (Fabriano), Squola spa (Pergola) - Ass. Ya Basta! Marche, booq (Palermo), Associazione Antimafie Rita Atria, Centro Sociale TPO Bologna, Associazione Città Migrante Reggio Emilia, Comitato l’Altra Europa con Tsipras di Perugia, Comitato Antirazzista Cobas (Palermo), Q Code Magazine, SOS Diritti (Venezia), Comitato Non laviamocene le mani (Rovereto/Trento), Associazione Garibaldi 101 (Napoli), Voglio Vivere Onlus, Polisportiva antirazzista Akapawa (Jesi), Progetto Rebeldia (Pisa), Razzismo Stop (Padova), Associazione Italia-Nicaragua (Circolo di Viterbo), Casa de Nialtri (Ancona), Polisportiva antirazzista Assata Shakur (Ancona), Casa dei Beni Comuni (Treviso), La Città Felice (Catania), LILA (Catania), Cobas Scuola (Catania), Associazione Rumori Sinistri (Rimini), Casa Madiba Network (Rimini), Polisportiva AutSide (Rimini), Centro Sociale Bruno (Trento), Labas occupato (Bologna), Associazione Senzaconfine, Laici Comboniani (Palermo), Laboratorio aq16 (Reggio Emilia), Casa Bettola (Reggio Emilia), Liberalaparola (Marghera), Razzismo Stop (Venezia), Borderline Sicilia, Associazione Di.a.Ri.A (Palermo), Laboratorio Occupato Morion (Venezia), S.a.L.E. Docks (Venezia), Sinistra Anticapitalista, Centro Sociale Occupato Autogestito Zona Ventidue (San Vito Chietino), Associazione A Sud, Associazione Oltreiconfini (Quarto d’Altino, Venezia), Circolo Arci Malaussène (Palermo), Centro Documentazione Conflitti Ambientali, Gruppo Consiliare Per me (Modena), CISS / Cooperazione Internazionale Sud Sud, Resistenze Meticce (Roma), Associazione Giù le Frontiere, Senzaconfine di Aprilia, Comitato Nomuos (Alcamo C.mare), Left-Lab, Associazione Afroitaliani/e, Rete Primo Marzo, Antonio Mazzeo, Associazione di Volontariato "Voli di Pace", Comunità in Resistenza/Csa Intifada Empoli, ALBA Art.3, Osservatorio contro le discriminazioni razziali Nourredine Adnane (Palermo), Associazione Tenda per la Pace e i Diritti, TILT!, Blob Laboratorio Giovani Comunicazione, MSNA Minori Stranieri Non Accompagnati, End Immigration Detention of Children, Binario 15 Onlus, Checchino Antonini, Alessandra Ballerini, Guido Barbera, Moira Bernardoni, Luca Casarini, Leonardo Cavaliere, Marcello Cella, Paolo Cento, Jacopo Colombini, Alessandro Dal Lago, Irene di Cristina, Alessio di Florio, Francesca di Pasquale, Paolo Ferrero, Renzo Fior, Stefano Galieni, Glenda Garelli, Leila Giannetto, Cinzia Greco, Nicola Grigion, Gabriella Guido, Elisa Marini, Vanda Mariucci, Antonio Mazzeo, Sandro Mezzadra, Pietro Milazzo, Antonio Moscato, Flore Murard-Yovanovitch, Toni Negri, Luciana Negro, Federico Oliveri, Chiara Piola Caselli, Letizia Palumbo, Francesco Penzo, Isabella Peretti, Mimmo Perrotta, Lorenzo Pezzani, Giulietta Poli, Federico Rahola, Mariarosa Ragonese, Judith Revel, Annamaria Rivera, Agata Romeo, Ester Russo, Pinuccia Rustico, Emilio Santoro, Monica Scafati, Alessandra Sciurba, Federica Sossi, Martina Tazzioli, Claudia Urzì, Fulvio Vassallo Paleologo, Giacomo Zandonini, Ciccio Auletta, Anna Simone, Paola La Rosa, Beppe Caccia
http://www.meltingpot.org/Il-nostro-3-ottobre.html#.VC0Cyfl_tqU

Aus dem Italienischen von Linde Nadiani