Seitdem das Aufnahmezentren in Città
Giardino (in der Provinz von Syrakus) im
vergangenen April eröffnet hat, hat es
sich darum gekümmert, Familien und
Frauen vor allem aus Syrien,
Eritrea und Nigeria aufzunehmen. In diesen Tagen sind ungefähr 200 Gäste
hier untergebracht. Eine der Mitarbeiterinnen des Zentrums erzählt mir, dass
hier in letzter Zeit nicht nur Frauen oder Familien mit Kindern
aufgenommen wurden, sondern auch Geschwister
und Menschen mit enger, familiärer Beziehung.
Das
Problem ist wie immer, dass die Fehlentwicklungen und die Lücken im Gesetz, von
verschiedenen Schleppern und Profiteuren benutzt werden, die skrupellos um
jeden Preis Geschäfte auf Kosten der Flüchtlinge organisieren. Und dies geschieht
öffentlich, ersichtlich für alle und zeigt die Unanwendbarkeit einer Richtlinie
wie die der Dublin-Verordnung. Womöglich wäre es sinnvoll sich darauf zu konzentrieren den Flüchtlingen mehr Informationen verschiedener Art zu geben und das direkt nach ihrer Ankunft.
Ich komme gegen ein Uhr nachmittags im Zentrum an. Die Einrichtung ist groß und neu. Einige Leute sitzen im Hof und sprechen miteinander und mehrere Kinder springen, spielen und fahren Fahrrad. Am Eingang überwachen zwei Männer vom Zoll die Situation und kommen auf mich zu. Mir wird gesagt, ich solle später wieder kommen, weil alle Mitarbeiter zur Zeit beschäftigt sind und mich nicht empfangen können.
Ich setze mich in eine Bar gegenüber der Einrichtung, wo ein
paar Jungs auf der Terrasse sitzen, essen und
miteinander sprechen. Sie kommen aus Eritrea und sind am Samstag auf einem Boot mit etwa
800 Personen im Hafen von Augusta gekommen. In ihren Taschen haben sie bereits Bus-Tickets und werden am Nachmittag nach Rom fahren. "Wir haben uns geweigert, unsere
Fingerabdrücke auf dem Marineschiff
abzugeben“, berichten sie, "wir haben Freunde und Familie in anderen europäischen
Ländern. Wir wissen noch nicht genau, wohin wir
gehen, aber wir wissen, dass wir nicht
in Italien bleiben wollen. Hier dauert es sehr lange, seine Dokumente zu
bekommen und hier haben wir nichts".
Sie
erzählen mir, dass das Zentrum in einem sehr gutem Zustand ist: sauber und
geräumig. Sie haben eine gute Aufnahme erhalten und sehen erholt aus. Sie
erzählen mir aber auch, dass Ihnen keine Informationen über die Möglichkeit
Asyl zu beantragen gegeben wurden. Oder wie sich die sich in der Umgebung
bewegen können und wie lange sie auf ihre Dokumente warten müssen. Deswegen
haben sie sich selbst organisiert. Es war jedoch nicht einfach, ein Busticket
in so einer kurzen Zeit zu bekommen. Durch eine Bekanntschaft und nach mehreren
Versuchen konnte sie Kontakt zu einer Person herstellen, die ihnen helfen
wollte: diese hat ihnen Informationen dazu gegeben, wie sie sich fortbewegen
können, welchen Bus sie nehmen sollten und bis wohin sie fahren sollten. "Diejenigen,
die diese Informationen nicht erhalten, müssen viel Geld zahlen, um die
verschiedenen Ziele in Norditalien mit dem Auto zu erreichen", sagen sie
mir. "Es gibt Menschen, die außerhalb des Zentrums warten und anbieten sie
für für 150 Euro nach Rom und für 200 Euro nach Mailand zu bringen.“
Sie fragen
mich um Rat, wo sie in Rom hingehen können und wie sie von dort in anderen
europäischen Länder kommen können; sie sprechen davon nach England und Finnland
zu reisen, aber sie haben keine Idee wie das anstellen sollen. In kurzer Zeit haben
sie organisiert, dass sie Sizilien und das Aufnahmezentrum verlassen können,
aber was den Rest der Reise angeht haben sie nur sehr ungenaue Vorstellungen.
Sie fühlen
sich trotzdem sehr erleichtert, in Italien zu sein, das Schlimmste ist vorbei.
Jeder hat rund 3.400 US Dollar bezahlt, um über das Meer von Libyen nach
Italien zu fliehen. Aber sie erzählen mir, dass die Person, die das Geld erhält
nicht mit auf das Boot steigt. „In der Realität“, sagen sie mir „zeigt jemand
ein paar Personen, die die Überfahrt unternehmen wollen und die dafür auch
schon bezahlt haben, wie man das Boot navigiert. Sie geben ihnen einen Kompass
und ein GPS und das war’s. Die Überfahrt ist extrem gefährlich, weil die
Person, die das Boot navigiert, nicht recht weiß er macht noch wo er hinfahren
muss.“
Nach diesen Informationen denke ich daran,
wie in den Medien die Festnahme von
Schmugglern besonders betont wird. Diese Jungs sind nicht die Ersten, die mir erzählen, dass in
der Realität die Boote von einem
der Flüchtlinge selbst gesteuert werden, der ein bisschen was davon versteht
und ein paar Erfahrungen hat und das derjenige, der die Reise organisiert, auf
der andere Seite des Meeres bleibt.
Die Mitarbeiterin, mit der ich am Nachmittag
spreche, sagt mir, dass sich das Zentrum kontinuierlich
leert und wieder füllt: "Die
Mehrheit der Personen bleiben hier nicht länger als 24
Stunden ", sagte sie "Sie
kommen, duschen, wechseln ihre Kleidung, ruhen sich aus, organisieren sich und
fahren dann weiter.“
Jeder weiß, wie hier das Netzwerk rund um das
Zentrum funktioniert: Taxi-und Privatautos warten auf ihre Gäste draußen vor dem Tor, die Flüchtlinge bezahlen
und verlassen das Zentrum. "Alle, die es sich leisten können, verlassen das Zentrum so schnell wie möglich",
bestätigt die selbe Mitarbeiterin. In diesem Aufnahmezentrum,
in dem ungefähr 200 Menschen untergebracht wurden (einige davon sind
gerade zu dem Zeitpunkt meines Besuchs angekommen), sind nur wenige
Familien, sie sich nicht vom Zentrum entfernt haben und die
schon seit mehreren Monaten hier leben. Diese haben das
Asylverfahren begonnen und werden bald in ein
SPRAR-Zentrum transferiert. Unterdessen
scheint der Betreiber "Eriches 29", der
viele weitere Zentren der gleichen Art
in Italien führt, sehr aufmerksam
auf die Bedürfnisse der Bewohner zu achten. Unter anderem werden bereits Kochkurse
für Frauen und Italienisch-Unterricht
für Kinder angeboten.
"Natürlich
versuchen wir nicht, jene die weggehen wollen, aufzuhalten“ erklärt sie,
"auch werden die Fingerabdrücke mittlerweile nicht mehr auf den
Marineschiffen und nicht mal bei der Ankunft in Aufnahmezentren abgenommen."
Es
gibt auch diejenigen, die es sich nicht leisten können wegezufahren. Sie warten
dann jeden Tag erneut Informationen über ihre Rechte zu bekommen oder
registriert zu werden, damit sie Asyl beantragen können. So auch in dem Fall
eines nigerianischen Mannes, den ich außerhalb des Zentrums treffe. Vor 10
Tagen kam er mit seiner Frau und es wurden noch immer nicht seine Fingerabdrücke
abgenommen. Vor allem wurde er nicht über seine Rechte als Asylbewerber
informiert.
Aus dem Italienischen von Ollga Mato