Die letzten Meldungen von Lampedusa sind nicht erbaulich, wenn man bedenkt, dass sich die circa 60 Demonstrant*innen seit vier Tagen nicht von dem Platz gegenüber dem Pfarrhaus in San Gerlando fortbewegen und noch immer schreitet niemand ein. Die Ordnungskräfte führen weiterhin mit der Sicherung des Platzes im Dorf fort, indem sie geduldig auf das Schwächeln von Seite der Migrant*innen warten. Die Demonstrant*innen werden von den Bewohner*innen Lampedusas unterstützt, die jeden Tag Lebensmittel und ihre Solidarität anbieten und die Aktivist*innen mit Thermodecken und anderen Komfortgütern ausstatten, um ihnen zu helfen, die Nacht mit dem Gefühl zu verbringen, weniger allein gelassen zu sein.
Unter den Personen, die auf den Platz gehen um ihren Kummer und ihre Entschlossenheit freie Bürger*innen bleiben zu wollen kundtun, befinden sich Männer, unbegleitete Jugendliche und Frauen (eine ist sogar schwanger), die gegen ein kurzsichtiges und taubes System durch die Bekanntmachung von Tod und Leiden kämpfen. Unter ihnen sind Migrant*innen, die Verwandtschaft in anderen europäischen Staaten haben, welche davon träumen Lampedusa zu erreichen um sie zu treffen, ihre eigenen Verwandten, die dem Tod auf dem Meer entkommen sind, in die Arme zu schließen. Manche von ihnen sind seit vier Monaten auf der Insel. Alle beschweren sich im Hotspot der Insel weder Informationen über das Asylsystem Italiens noch deren Lage erhalten zu haben, sondern allenfalls dazu gedrängt worden seien, ihre Fingerabdrücke abzugeben und man ihnen sagte, dass sie notgedrungen Asyl in Italien beantragen müssen.
Das in den vergangen Tagen erhaltene Versprechen, sie würden am gestrigen Tage verlegt werden wurde nicht eingehalten. Durch die Verlegung von ungefähr 150 Personen reduzierte sich die Nummer der Anwesenden im Hotspot von Lampedusa auf 450. Wie es scheint werden in den nächsten zwei Tagen auf Grund der Wetterverhältnisse keine Fährschiffe nach Sizilien aufbrechen. Somit steht eine unveränderte Situation in den nächsten 48 Stunden bevor, in welchen die Migrant*innen entscheiden müssen, ob sie weiterhin demonstrieren oder in das Zentrum zurückkehren.
Indessen erreichen entsetzliche Meldungen den Hotspot: wer sich weigerte direkt nach der Ankunft auf der Insel die Fingerabdrücke abzugeben müsse die im Hof des Zentrums im Freien schlafen. Eine wahre Art der Einschüchterung, die (einer indirekten Zeugenaussage nach) wenige Abende zuvor auch einer Frau im fortgeschritten Stadium der Schwangerschaft gegolten haben soll. Wenn die Meldung wahr wäre, wären wir zum x-ten Mal mit Gewalt konfrontiert und Lampedusa würde sich als der Schauplatz von schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen bestätigen.
Der Protest hält dank des Muts und der Fähigkeit der Demonstrant*innen an, das eigene Leiden in einer gesitteten und würdigen Art auszudrücken. Sie haben sich vor wenigen Minuten in den Bereich gegenüber der Dorfkirche um positioniert, um nicht die Unduldsamkeit einiger Inselbewohner*innen zu nähren (man spricht von einem Protest der Lega Nord). Sie sind müde, jeden Tag Journalist*innen auf der Insel zu sehen, die Geschichten von Migrant*innen und nicht von der Schönheit dieser Erde erzählen. Da beißt sich die Katze in den Schwanz.
Alberto Biondo
Borderline Sicilia
Übersetzt von Barbara Staudenmaier