Meridionews – Im vergangenen April veröffentlichte MeridioNews die Geschichten einer Gruppe Syrer und Palästinenser, die erklärten, dass sie im Aufnahmezentrum mit Elektroschockern misshandelt worden sind. Heute verlangen einige Europaabgeordnete die Aufklärung vor der Europäischen Kommission.
„Mit elektrischem Strom geschlagen“
Es war der 24. April als MeridioNews den Vorwurf einer Gruppe syrischer und palästinensischer Migranten veröffentlichte, die seit Tagen im Aufnahmezentrum von Pozzallo eingesperrt waren. Sie hatten sich geweigert sich einen digitalen Fingerabdruck nehmen zu lassen, da sie nicht in Italien bleiben wollten. Um sie umzustimmen soll die Polizei Gewalt angewendet haben. Dieser Fall endet nun vor der Europäischen Kommission. Die Abgeordnete Barbara Spinelli, Gewählte der Liste Tispras und gestern der Gruppe Vereinigte europäische Linke-Ngl beigetreten, hat eine parlamentarische Prüfung gefordert, die auch von den Kollegen Elly Schlein, Laura Ferrara, Ignazio Corrao, Eleonora Forenza und Curzio Maltese unterzeichnet wurde.
Die Europaabgeordneten fordern Aufklärung über die Gewalt, der zahlreiche Asylbewerber in den Erstaufnahmezentren auf Lampedusa und in Pozzallo ausgesetzt sind. „Mit besonderem Verweis auf das Zentrum für erste Hilfe und Aufnahme in Pozzallo – so liest man in der Anfrage – dokumentieren verschiedene und gleichlautende Quellen illegitimes Eingreifen der Ordnungshüter, um Migranten, auch Minderjährige, zu zwingen sich über die digitalen Fingerabdrücke identifizieren zu lassen, was gegen die europäischen Konventionen über die Menschenrechten und gegen die Konvention der Vereinten Nationen über Kinderrechte verstößt. Mehrere ausländische Bürger, auch Minderjährige, bestätigten, dass sie mit elektrischen Schlagstöcken geschlagen wurden“
Am 20. April kamen 113 Migranten im Aufnahmezentrum von Pozzallo an. Es handelte sich fast ausschließlich um Syrer und Palästinenser, welche von einer Yacht türkischer Flagge im Mittelmeer gerettet wurden. Hier blieben sie über Tage und beharrten darauf sich nicht identifizieren zu lassen. Sie traten sogar in einen Hungerstreik. Die digitalen Fingerabdrücke abzugeben hätte bedeutet das Asylverfahren in Italien durchzuführen, denn laut der europäischen Dublin-Regelung heißt es, dass der Verbleib für das Land der ersten Einreise beantragt wird. Am 24. April kam der marokkanische Aktivist Nawal Soufi zum Aufnahmezentrum. Er beschäftigt sich seit Jahren mit der Aufnahme von Migranten im Süden Siziliens und besonders in Catania. Es gelang ihm eine erste Absperrung zu überwinden und sich der Einrichtung zu nähern. Von drinnen waren Rufe auf Arabisch und Kinderstimmen zu hören. „Sie schlagen uns mit elektrischem Strom“ und den Vorwurf hält Soufi auf einem Video fest. Die Übersetzung wurde von verschiedenen anderen Interpreten bestätigt, denen die Bilder gezeigt wurden.
Der Besuch des Aktivisten führte zu weiterer Verwirrung im Zentrum und einer Gruppe von Migranten gelang es herauszukommen. Bevor sie im Taxi davon fuhren, sprachen sie mit Soufi und mit einigen wenigen Journalisten, die vor der Einrichtung waren, unter anderem mit einem amerikanischen Team vom Fernsehsender Al Jazeera. Sie bekräftigten das Geschrei vom Inneren des Zentrums und dass sie mit elektrischen Schlagstöcken geschlagen würden.
Sie zeigten auch ein Flugblatt – dass Meridio nun veröffentlichen kann – in dem in verschiedenen Sprachen geschrieben steht: „ Die Migranten, die illegal in das Gebiet des italienischen Staates eindringen, auch wenn sie aus dem Meer gerettet werden, müssen mittels der Aufnahme ihrer Personalien und Fotografien identifiziert werden[...]. Die Fotografien werden von der Polizei aufgenommen und bestehen aus Aufnahmen des Gesichts und der Aufnahme der digitalen Fingerabdrücke“. Und dann schließt es mit dem wohl umstrittensten Teil: „In jedem Fall ist die Polizei berechtigt die Aufnahme der Fotos und der digitalen Fingerabdrücke durchzuführen, wenn nötig auch unter Einsatz von Gewalt“. Das Flugblatt wurde von einigen Migranten, die aus dem Zentrum kamen mitgebracht; es ist auf einfaches Papier geschrieben, ohne Stempel oder Briefkopf. Laut den gleichen Migranten war es auch die Polizei selbst, die diese Flugblätter im Zentrum verteilte.
Aus dem Italienischen übersetzt von Viktoria Langer