Das Wort Integration taucht in den meisten offiziellen Meldungen und täglichen Gesprächen über Einwanderung auf. Ausgangspunkt der Eingliederung ist die gegenseitige Kenntnis und der Aufbau einer gemeinsamen Gesellschaft. Diese Grundsätze werden zur Praxis des Zusammenlebens, welches die vielen Worte konkretisiert. In der Realität jedoch, sind die Fälle von Intoleranz und Rassismus gegen Migranten noch sehr verbreitet, sie haben sich seit Monaten wenn nicht seit Jahren auf dem Territorium festgesetzt. Grundlose Beschuldigungen, feindliches Auftreten und tägliche Unterdrückungen münden oft in Episoden wilden Rassismus und grausamer Gewalt.
Einer der letzten Vorfälle waren die zweifachen Überfälle gegen 13 Migranten in der Schutzeinrichtung für Asylantragsteller und Flüchtlinge in Avola, in der Provinz Siracusa. Das Zentrum wird von der Vereinigung „Gli angeli Onlus“ geleitet. In der Nacht vom 31. Oktober zum 1. November 2014 hat eine Gruppe von ortsansässigen Jugendlichen die Einrichtung mit ihren Motorrollern umzingelt und Steine, Eier und Müll gegen die Fenster und Mauern des Zentrums geworfen. Dabei riefen sie den Bewohnern, welche sich ins Haus zurückgezogen hatten, rassistische Beschimpfungen zu bis sie, hervorgerufen durch das Eintreffen der Polizei, flüchteten. Doch auch in der darauf folgenden Nacht waren die Jugendlichen wieder vor Ort. Erneut warfen sie mit Steinen und brüllten den Flüchtlingen, die durch den zweiten Vorfall noch erschrockener waren, Sätze voller Hass und Verachtung zu. http://siracusa.gds.it/2014/11/03/avola-pietre-e-bottiglie-contro-il-centro-dei-rifugiati_256574/ . Die Presse hat in den darauf folgenden Tagen sowohl die Ermittlungen als auch die Festnahme der vermutlichen Täter, alles junge Männer nicht viel älter als 18 Jahre, in Avola geboren und aufgewachsen, verfolgt. Die Tat wurde sofort als Gewaltexplosion eingestuft und mit der verbreiteten jugendlichen Unzufriedenheit, den unzureichenden Informationen bezüglich der Verwaltung der Gelder zur Finanzierung der Aufnahmezentren und der verschärften wirtschaftlich Situation der Bevölkerung in Verbindung gebracht. Auch in diesem Fall schient es, als würde eine inakzeptable Gewalttat keinen Anlass zur Reflexion der tieferliegenden Dynamiken geben, welchen sie zu Grunde liegt. Die Konsequenz war in der Tat keine vermehrte kulturelle Arbeit und Information, die es ermöglichen würde mehr über die geschichtlichen, politischen und wirtschaftlichen Gründe einer Flucht, die aktuelle Krise in Italien, die Migrationsgesetze und die Verwaltung der finanziellen Mittel der Aufnahme zu erfahren, sondern eine Beschwerde und der Wunsch nacht mehr Überwachung von Seiten der Ordnungskräfte.
Trotzdem sollte die Intoleranz und die Anklage solcher Vorfälle niemals Raum für die überaus gefährlichen Verallgemeinerungen lassen. Denn zum Glück gibt es aus dem täglichen Zusammenleben auch andere, positive Geschichten zu erzählen, die nur meist viel weniger Aufsehen erregen. Die Meldung von der bevorstehenden Schließung des Erstaufnahme-Zentrums für nicht begleitete Minderjährige, Casa Mose', in Messina, ist vom 18. November. http://messina.gds.it/2014/11/13/immigrazione-mancano-i-fondi-chiude-il-centro-accoglienza-bimbi-a-messina_261610. Nachdem sich das Zentrum, geleitet von Aibi, für einige Zeit selbst finanziert hat, ist die Einrichtung nun dabei seine Tore zu schließen. Mit Ausnahme von etwa zehn Minderjährigen, wurden bereits alle in ein anderes Aufnahme-Zentrum verlegt. Ab Ende November bis zum Jahresende waren sie im ehemaligen Ipab, in der San Sebastiano Straße, geleitet von der Stiftung Conservatori Riuniti Scandurra untergebracht, während die Präfektur am 2. Dezember die neue Ausschreibung zur Auftragserteilung der Aufnahmedienste für das Jahr 2015 veröffentlicht hat.
http://www.prefettura.it/messina/news/160969.htm#News_46342. Eine schwierige Entscheidung, bei der alle Beweggründe abgewogen werden müssen vor allem wenn man sich Vorfälle wie jenen in Messina vor Augen hält. http://antoniomazzeoblog.blogspot.it/2014/11/minori-stranieri-non-accompagnati-nei.html. Dort, in der ehemaligen Kaserne Bisconte war eine Gruppe von nicht begleiteten Minderjährigen über Wochen unter unangemessenen Umständen und in ermüdender Erwartung auf eine neue Unterkunft, untergebracht. Auch im Pala Nebiolo, einem weiteren ersten Anlaufpunkt für Ankommende in Messina, sind sowohl Erwachsene als auch minderjährige Migranten in Zelten untergebracht und unter diesen bedenklichen Umständen zusätzlichen Risiken ausgesetzt, die sich manchmal in reale Gefahren verwandeln. http://www.messinaora.it/notizia/2014/11/29/al-palanebiolo-adescava-minorenni-stranieri-chiedendo-sesso-in-cambio-di-piccole-somme-di-denaro-o-con-la-promessa-di-un-lavoro/50568. Ein sehr beunruhigendes Bild, mit ständigen und inakzeptablen Außerkraftsetzungen der Grundgesetzte, dich trotzdem gibt es einen Lichtschimmer: als Antwort auf die Nachricht über die Schließung des Zentrums Casa Mosè, hat eine Gruppe von Familien des Stadtviertels Camara, wo sich das Zentrum befindet, einen friedlichen Protestmarsch mit Spruchbändern und Plakaten vor der Einrichtung abgehalten. Viele Teilnehmer, in einem der „schwierigsten“ Viertel der Stadt, zustimmende und mehr gelassene Töne, solche, die wie die Beschäftigten des Zentrums ihren Arbeitsplatz aus dem Gleichgewicht geraten sehen und solche, die einfach im Viertel leben und die Migranten kennen. Sie sehen sich die hundertste Verlegung mit an, die viele als eine große Hürde zur Eingliederung empfinden. „Wie können sie den Ort wo sie sich aufhalten kennenlernen, Freundschaften schließen, die Sprache erlernen, wenn sie andauernd umgesiedelt werden,“ sagt ein älterer Herr der lokalen Presse. Vielleicht sollten diese Fragen ein neuer Ausgangspunkt sein um zu verstehen und zu verändern.
Lucia Borghi
Borderline Sicilia
Aus dem Italienischen von Elisa Tappeiner