Die Fremdenfeindlichkeit, die wir bei vielen Menschen, die in der Nähe von „Nicht“-Aufnahmezentren wohnen, bemerken, ist stark ausgeprägt und immer weiter verbreitet. Wahrscheinlich, wenn nicht sogar mit Sicherheit, ist sie das Ergebnis einer medienwirksamen Kampagne mit rassistischem Hintergrund, ebenso wie eine Folge von Desinteresse und mangelnder Informationen. Was uns jedoch am meisten trifft sind nicht die Kommentare der Menschen, die wir in Cafés oder auf den Plätzen in näherer Umgebung zu den Aufnahmezentren hören, sondern vielmehr die Worte und Verhaltensweisen von immer weniger professionell handelnden und weniger toleranten Angestellten, die grundsätzlich schlecht auf die Aufnahme von Menschen unterschiedlicher Kulturen und mit teils schwerwiegenden Problemen vorbereitet sind.
http://siciliamigrants.blogspot.it/2014/11/mit-wenig-verstand.html
Eine sehr ähnliche Situation wie die bereits erzählte haben wir in einem Zentrum in Trapani erlebt (den Namen des Zentrums möchten wir an dieser Stelle zum Schutz der dort lebenden Flüchtlinge nicht nennen). Es handelt sich dabei um ein Zentrum, das bis vor kurzem ein Altersheim war und im Juli des vergangenen Jahres in ein CAS für Familiengemeinschaften und hilfsbedürftigen Frauen umgewandelt wurde. In diesem Zentrum, das sich in einem verlassenen Dorf in den Bergen von Trapani befindet, leben heute 12 afrikanische Mädchen, die bisher unterschiedliche Wege beschritten haben. Eine Gruppe, die vor sechs Monaten hier angekommen ist, wurde zuvor in einem anderen Zentrum Trapanis beherbergt, während eine zweite Gruppe vor einem Monat unmittelbar in das Zentrum gebracht wurde. Die hier „beherbergten“ Mädchen haben uns telefonisch kontaktiert, um den Zustand des Aufnahmezentrums zu bemängeln. Um die Situation besser verstehen zu können, haben wir die Mädchen getroffen und im Vorhinein mit den Mitarbeitern und dem Direktor des Zentrums gesprochen.
Die Mädchen haben sich über die bürokratische Langwierigkeit (einige von ihnen haben den Interviewtermin vor der Asylkommission erst zwei Jahre nach ihrer Ankunft in Italien), vor allem aber über das Verhalten der Mitarbeiter und des Direktors beschwert. Dieser ist davon überzeugt, dass die Mädchen es hauptsächlich auf Geld abgesehen haben und dazu bereit sind, alles dafür zu geben und „sogar einem älteren Bewohner der Stadt Gesellschaft zu leisten, wenn dieser dazu bereit ist zu zahlen“.
Das Ganze wird innerhalb der Einrichtung verstärkt durch die unterschiedliche Behandlung derer, die sich gut bzw. schlecht verhalten. Die Guten genießen Aufmerksamkeit, mit denjenigen, die sich gegen Übergriffe, verbale Gewalt, Vorurteile und die Diskriminierung durch die Angestellten auflehnen wird ein offener Konflikt geführt. Die Dynamik innerhalb des Aufnahmezentrums hat zu Auseinandersetzungen zwischen den Mädchen geführt.
Die Angestellten haben starke Vorurteile und sind auf keinerlei Kommunikation vorbereitet; all dies führt zu Konfrontationen und Unbehagen, die durch ein wenig Vermittlungsarbeit gelöst werden könnten.
Wir haben uns deshalb dazu entschlossen zwischen den Parteien zu vermitteln und versucht, eine Art Erinnerungsschreiben aufzusetzen, indem wir die Angestellten zu mehr Aufmerksamkeit und Verständnis auffordern. Aber die Fronten sind verhärtet: für eine der Angestellten ist es überhaupt nicht nachvollziehbar, weshalb die Mädchen protestieren, da sie nicht täglich duschen können („haben sie in ihrem Land geduscht?“) oder warum ihnen das Essen nicht schmeckt („es ist ausgezeichnet, ich esse hier nur deshalb nicht, weil das Essen um 11 Uhr morgens eintrifft und die Mädchen dann so gegen 14 Uhr essen“). Die Mädchen, die es mittlerweile überdrüssig sind nicht angehört zu werden, sondern die ganz im Gegenteil bei jeder Anfrage zum Schweigen gebracht werden, haben beschlossen eine Verlegung zu beantragen, da sie den „Hass“ derjenigen spüren, die 35 Euro [pro Flüchtling, Anm. der Red.] täglich verdienen, um sich um sie zu kümmern. Und so tickt die Zeitbombe während man auf eine Veränderung wartet und hofft, dass niemand den Knopf bedient, um sie explodieren zu lassen.
Vorurteile bringen nicht näher, sondern führen zu einer Entfremdung und für die Mädchen zeichnet sich die x-te Veränderung, die x-te Flucht vor einer unerträglichen und unmenschlichen Situation ab. In solch einer Lage befindet sich auch Claudia (der Name wurde geändert), die vor vier Wochen in Italien angekommen ist und seit dem auf einen Arztbesuch wartet, obwohl sie angegeben hat schwanger zu sein.
Der Leiter hat klare Vorstellungen: die Mädchen sollten dankbar dafür sein, was „ich für sie getan habe, indem ich ihnen eine Einrichtung und ein Bett zur Verfügung gestellt und viel Geld investiert habe. Wenn sie dies nicht annehmen wollen, dann sollen sie in ein größeres Zentrum gehen, vielleicht nach Palermo oder Mailand. Dort können sie ein bisschen Geld verdienen. Mir werden ohnehin andere Mädchen geschickt.“
Die Vorurteile haben durch diskriminierendes Verhalten und Worte eine zerstörende Wirkung und kein Betreiber, der sich derartig verhält, sollte dazu von der Präfektur berechtigt werden eine Einrichtung zu leiten. Die Zentren werden mehr und mehr zu Geldmaschinen, in denen Menschlichkeit und Professionalität ein Fremdwort ist und die durch den langanhaltenden Ausnahmezustand finanziert und gerechtfertigt werden.
Redaktion Borderline Sicilia
Aus dem Italienischen von Carmen Nitsche