siciliamigranti.blogspot.com ist ein italienischsprachiges Monitoringprojekt zur Situation der Flüchtlinge in Sizilien, dort finden Sie die Original-Berichte, hier finden Sie die deutschen Übersetzungen. Klicken Sie auf die auf die Namen der Schlagworte (keywords), wenn Sie bestimmte Themen suchen.

Donnerstag, 18. September 2014

Es herrscht Stille über das gesunkene Schiff. Freiwillige Helfer: „Was sagen wir den Familien?“

Ctzen von Claudia Campese
Die Staatsanwaltschaft Catania informiert über die Entwicklungen im Fall des Bootes, welches mit über 400 Migranten an Bord im maltesischen Meer gesunken ist. Dennoch, bezüglich der Identität der Überlebenden wie auch der Toten, beruft sich die Abteilung weiterhin auf Zurückhaltung. „In diesen Tagen haben uns  dutzende Personen aus Gaza kontaktiert, um Informationen über Verwandte zu bekommen, aber auch wir erhalten keine Informationen von den Behörden,“ berichten Mitarbeiter des antirassistischen Netzwerks in Catania, La rete antirazzista catanese.
Seit jenem Unglück vor einigen Tagen fragen sich hunderte Familien was aus ihren Kinder, Brüdern und Schwestern geworden ist. Die sizilianischen Behörden erwidern ihre Anfragen jedoch mit Schweigen. Diesen Zustand der Ungewissheit durchleben seit dem letzten Wochenende die Verwandten von mindestens 400 Migranten. die Mehrzahl Palästinenser. Sie waren an Bord des Bootes, welches 300 Meilen südöstlich von Malta untergegangen ist. Während, sowohl die Identität der Leichen als auch die der wenigen Überlebenden noch unbekannt ist, veröffentlicht die Staatsanwaltschaft von Catania erste Ermittlungsergebnisse: „Mehrere Quellen weisen darauf hin, dass das Boot willkürlich versenkt wurde, in dem es von einem anderen, größeren Schiff gerammt worden ist – so in einer Notiz der Staatsanwaltschaft – Es soll zu dieser Auseinandersetzung gekommen  sein, nachdem sich die Migranten weigerten auf ein anderes, kleineres Boot umzusteigen.“

Mit den aufgenommenen Ermittlungen beschäftigen sich Behörden und Polizeibeamte aus mehreren Staaten darunter: Ägypten – von wo aus das Boot gestartet ist -, Griechenland – wo sich weitere Überlebende befinden – und Malta. In der Mitteilung der Staatsanwaltschaft heißt es außerdem: „Die Migranten, welche Erklärungen abgeben, stehen zur Zeit unter Schutz und es wird gebeten sie solange nicht zu kontaktieren, um die Unverfälschtheit ihrer Aussage in den weiteren Entwicklungen des Verfahrens zu garantieren.“ Und abschließend:“ Wir verstehen, dass die Öffentlichkeit schnell und umfangreich informiert werden soll, halten es aber trotzdem für notwendig uns bis zum Ende der Untersuchungen zurückzuhalten.“ Diese beiden Absätze machen es für die Familien noch schwieriger ihre Angehörigen aufzuspüren, welche am 6. September ihre Reise über das Mittelmeer begonnen hatten.
Das antirassistische Netzwerk in Catania erklärt:“Zur Zeit werden wir von Dutzenden Personen aus Gaza kontaktiert. Sie alle sind auf der Suche nach Hinweisen.“ Valeria, eine der freiwilligen Helferinnen, hat seit Tagen kein Auge zugemacht, „Ich habe Staatsanwaltschaften, Aufnahmezentren, Polizeistationen und Ämter angerufen“ sagt sie, „keiner konnte mir etwas sagen. Nicht einmal die genaue Zahl der Überlebenden.“ Verschiedene Mutmaßungen sprechen von acht, zehn oder 26. Sie befinden sich jedoch nicht alle in Sizilien. „Ich weiß nicht wie wir den Überlebenden helfen sollen, solange wir von den Behörden keine Angaben zu den Personalien bekommen,“ fährt Valeria fort. Die wartenden Angehörigen wenden sich derweil über soziale Netzwerke an die Bewohner Siziliens und versuchen verzweifelt auf diese Weise Informationen zu erhalten.
Während man in Gaza auf Nachrichten wartet, die nicht eintreffen, wurde begonnen eine Liste mit Vermissten aufzustellen mit Name, Nachname und Foto. Jedoch ohne jeglichen Vergleich, denn von den Toten, welche schnellstmöglich in Pozzallo bestattet wurden, sowie von mitgeführten persönlichen Gegenständen, wurden keine Fotos verbreitet. Insbesondere für jene Migranten, welche alleine gereist sind, macht dieses Verfahren die Wiedererkennung unmöglich. Und die Familien warten weiter. Sie sind unsicher ob sie die letzten Ersparnisse, die ihnen nach den kürzlichen Angriffen auf Gaza, durch welche Handel und Produktion zerstört worden sind, für die Suche ihrer Angehörigen einsetzen sollen. Dabei wissen sie nicht einmal wo sie suchen sollen.


Aus dem Italienischen von Elisa Tappeiner