2700 Einwanderer
27 Notaufnahmezentren
1 Zentrum für Asylbewerber
1 Abschiebezentrum
Mehr als ein Protest am Tag. Jeden Tag Leute, die fliehen – oder wie die
Präfektur sagt, „sich freiwillig entfernen“. Wartezeiten von mehr als einem Jahr für eine
Anhörung durch die Kommission. Schwierigkeiten jeder Art für Menschen, die
übers Meer kommen und dabei ihr Leben riskieren. Das sind nur ein paar Zahlen zur
„Empfangs“situation in Trapani.
Die Situation verschlimmert sich. Die Präfektur hat zur Zeit so
viele Schwierigkeiten, dass die zuständigen Stellen von Verwirrung bei den
Institutionen sprechen, die die Oberhoheit über die Verlegungen und Zuweisungen
haben.
Wir konnten herausfinden, dass bei den Zuweisungen tatsächlich
etwas nicht funktioniert hat, und wir haben festgestellt, dass die Präfekturen
(und nicht nur die von Trapani) sich zur Zeit damit schwertun, mit den
Organisationen zusammenzuarbeiten, die eine unabhängige Beobachtung
gewährleisten.
Es ist klar, dass eine Kontrolle über die
Zentren, die in Rekordzeit und ohne vorhergehende Erfahrung aus dem Boden
gestampft worden sind, kaum möglich ist. Es gibt Zentren ohne Mediatoren und in
einigen Häusern auch ohne zuständige Person. Um nur ein Beispiel zu nennen: Wir
haben im Zentrum Ipab Giovanni XXIII in Marsala am Nachmittag keinen
Ansprechpartner gefunden. Sowohl die anwesenden Immigranten wie auch der
Pförtner haben uns gesagt, dass nur von Montag bis Freitag morgens jemand da
ist. Auch einige unabhängige Organisationen aus Marsala haben uns bestätigt,
dass die Immigranten sich selbst überlassen bleiben. In diesem Zentrum gibt es
Immigranten, die seit sieben Monaten auf einen Termin bei der Kommission
warten. Termine werden für Sommer 2015 vergeben, das heisst, die Neuankömmlinge
müssen ein Jahr lang auf einen Termin warten.
Einige der Betreuten beklagen sich darüber,
dass es keine vernünftigen Schuhe und keine angemessene Kleidung für sie gibt.
Aktuell steht auch die Zukunft des Zentrums für
Asylbewerber von Salinagrande in den Sternen. Der Vertrag mit dem aktuellen
Betreiber des Zentrums läuft im August aus. Die Menschen, die zur Zeit in
diesem Zentrum untergebracht sind, werden wahrscheinlich in andere Zentren
verlegt, damit das aktuelle Asylbewerberzentrum für die Unterbringung von
Neuankömmlingen genutzt werden kann. In Trapani gibt es keine Empfangsstruktur,
in der die Neuankömmlinge sortiert und verteilt werden (so wie zum Beispiel in
Agrigento in der Villa Sikania). Wir überprüfen das und behalten die weiteren
Entwicklungen im Auge.
Unterdessen ist die Sporthalle im Asylbewerberzentrum
kontinuierlich belegt, weil das Zentrum chronisch überbelegt ist (ungefähr 300
Personen). Ohnehin gibt es schon Probleme, weil die Sporthalle nicht ordentlich
unterhalten wird. Die Gemeinde, der das Gebäude gehört, müsste einige Unterhaltsarbeiten
ausführen lassen. Angesichts des fehlenden Geldes werden
die Arbeiten immer wieder aufgeschoben. Für die Gäste macht das die Situation
nicht einfacher.
Wir müssen feststellen, dass so ziemlich
überall Chaos herrscht. Eine Entscheidung, die viele Betreiber von Unterkünften
empört hat, war der Entschluss, ungefähr 600 Leute aus der Provinz Trapani in
das Asylbewerberzentrum von Mineo in der Provinz Catania zu verlegen. Diese
waren zuvor in verschiedenen Unterkünften der Provinz Trapani, sie waren
bereits registriert und hatten einen Termin für eine Anhörung durch die
Kommission in Trapani. Nach der schwer nachvollziehbaren Verlegung in das
Megazentrum in der Provinz Catania muss den Betroffenen auch ein neuer Termin
für die Anhörung durch die Kommission gegeben werden. Man kann nur hoffen, dass
ihnen dabei eine gewisse Priorität eingeräumt wird.
Das eigentlich positive Ergebnis ist, dass bei
der Kommission von Trapani jetzt 600 Termine freigeworden sind. Das
Polizeipräsidium von Trapani hat bis jetzt jedoch keine Eile gezeigt, die
Termine an andere Menschen zu vergeben.
Das Chaos und die Desorganisation, das Fehlen
eines durchdachten Projekts, bei dem das Wohlergehen der Menschen im
Vordergrund steht, sorgt für beträchtliches Unwohlsein. Es gibt überall
Proteste nicht nur wegen der enormen Wartezeiten für eine Anhörung.
In einer Unterkunft von Castelvetrano (Baglio
Elia) kam es zu Protesten, weil es keinen Strom und kein Wasser gab. Die
Einwanderer wurden daraufhin vorübergehend in ein anderes Zentrum verlegt. Es
hat den Anschein, dass das fehlende Geld sich bei den Betreibern der
Unterkünfte bemerkbar macht. Besonders die kleineren Betreiber geraten in
Schwierigkeiten.
Zu den Zahlen in Trapani müssen wir hinzufügen,
dass Mare Nostrum nicht geeignet ist, kleinere Boote mit zehn bis fünfzehn
Menschen an Bord auszuspüren. Wenn sie dennoch aufgespürt werden, handelt es
sich wahrscheinlich meistens um Boote mit Tunesiern, die dann meist in das
erste Flugzeug gesetzt werden, das sie wieder nach Tunis befördert. Wir haben
in Bezug auf diese Vermutung allerdings noch keine offizielle Stellungnahme
erhalten.
Alberto Biondo
Borderline Sicilia
Aus dem Italienischen von
Anita Merkt