Das Aufnahmesystem in der Stadt Caltanissetta beschränkt
sich in der Realität nicht auf nur auf Pian del Lago (und provisorischen Lager
um das Zentrum). Hier, wie auch in fast ganz Italien, wurden mehrere außerordentliche
Aufnahmeeinrichtungen eingerichtet.
Diese Zentren, die eigentlich nur für Notfälle
gedacht sind, sind aber oft die einzigen Orte, wo Asylsuchende während der
gesamten Wartezeit bis zur Anhörung vor der Asylkommission verbleiben. Da die Zentren für Notfälle gedacht
sind, werden die Verträge nur zwischen dem Leiter des Zentrums und der
Präfektur geschlossen. Die Vereinbarungen sehen nur Grundleistungen vor und es
gibt keine Art der systematischen Kontrolle zu Gunsten der Schutzsuchenden,
wenn überhaupt wird eine Klausel in den Vertrag eingebaut, die besagt, dass die
Präfektur sich darum kümmert.
In Caltanisseta gibt es zwei außerordentliche Aufnahmezentren
(CAS), die eine maximale Kapazität für 140 Asylsuchende haben. Die Art wie sie
geführt werden, reflektieren die typisch gleichen - bereits aus anderen
Aufnahmezentren bekannten - Kritikpunkte, die sich auf das niedrige Niveau der
Betreuung durch die Vereinbarungen zwischen Betreiber und Präfektur
zurückführen lassen: Überfüllungen, strukturelle Probleme, ernsthafte Mangel an wichtigen Dienstleistungen,
insbesondere bei der Rechtsberatung von Einzelpersonen und der persönlichen
Betreuung, Abwesenheit des Italienisch-Unterrichts sowie mangelnde sprachliche Vorbereitung der Mitarbeiter.
Die zwei Aufnahmezentren, um die es geht, sind: „Madre
Speranza“ (die von dem religiösen Verein St. Filippo Neri geleitet wird) und das
Zentrum, das von der „Kooperative Vivere“ geleitet wird.
Das Zentrum „Madre Speranza“, welches im
vergangenen November reaktiviert wurde, nimmt zur Zeit 80 Personen auf. Die
Mehrheit der untergebrachten Personen kommt aus diversen Gegenden von Pakistan
und Afghanistan.
Die alte Struktur verfügt über 11 Zimmer, drei
davon sind sehr geräumig (mit jeweils mindestens 10 Betten). Die Kleineren sind
sehr überfüllt, zwischen zwei Betten gibt es kaum Platz zum Gehen. Jedes
der Zimmer verfügt über ein Bad. Die
hygienischen Bedingungen in einigen der
Räumlichkeiten lassen zu Wünschen übrig. Das Zentrum ist außerdem mit einer Küche
und einer Cafeteria ausgestattet, die in unterschiedlichen
Arbeitsschichten die Mahlzeiten für
einige Bedürftige aus der Stadt
vorbereitet. Drei Personen sind dort tätig, davon 2 mit afghanischer Herkunft. Bezüglich des Italienisch-Kurses
informierte uns einer der Mitarbeiter, dass
es von Montag bis Freitag einen Kurs
gibt und der Lehrer sehr erfahren im Unterrichten von
„Italienisch für Ausländer“ ist.
Leider nehmen nur 4 der 80 Bewohner teil,
weil sie entweder um die frühe Uhrzeit schlafen wollen oder
andere Kurse bevorzugen, in denen ihnen eine
Teilnahmebescheinigung ausgestellt wird.
Der Service der sprachlichen und kulturellen
Vermittlung wird von zwei Mitarbeitern afghanischer Herkunft gewährleistet, die
Urdu, Englisch und Italienisch sprechen. Wir waren sehr von den Aussagen eines
Mitarbeiters betroffen, der sich
mehrfach über die Gäste pakistanischer Herkunft als psychisch kranke und
undankbare Menschen beklagte, von denen er glaubte, beleidigt worden zu sein.
Wir haben keine klaren Informationen über die juristischen
Dienstleistungen für die Asylsuchenden des
Aufnahmezentrums erhalten.
Es scheint, dass den Bewohnern dank
der Unterstützung der medizinischen Freiwilligen der Caritas - mit der das Zentrum
eng kooperiert - eine gute Gesundheitsversorgung gewährleistet wird. Der Mitarbeiter hat uns Termine zu
speziellen Untersuchungen von mehreren Patienten gezeigt.
Darüber hinaus werden alle Gäste von diesem Zentrum mit
der STP-Karte (Gesundheitskarte für Ausländer, die für eine bestimmte Zeit in
Italien sind) ausgestattet.
Das andere außerordentliche
Aufnahmezentrum, welches vor etwa einem Monat eingerichtet
wurde, wird von der „Kooperative Vivere“/“Projekt Leben“ geführt
(wie auch das große Zentrum von
San Cataldo http://siciliamigranti.blogspot.it/2014/04/accoglienza-san-cataldo.html). Zurzeit
sind hier 57 Migranten untergebracht. Die meisten von ihnen mit pakistanischer
Herkunft, kamen hierher, nachdem den beiden Aufnahmezentren von Gela der
Vertrag von der Präfektur über mehrere Monate
nicht verlängert wurde. Wahrscheinlich wegen der schlechten
Betreuungssituation (http://siciliamigranti.blogspot.it/2014/01/le-strutture-dellaccoglienza-d-emergenza.html). Die Hilfsbedürftigen haben deswegen für ein paar Wochen auch im CARA
(Zentrum für Flüchtlinge und Asylbewerber) Pian del Lago gewohnt.
Es gibt mehrere Bewohner aus
Afrika (Nigeria, Mali, Gambia), die eine noch kritischere Aufnahmegeschichte haben: einige von ihnen wurden vor der
Aufnahme in den Zentren von Gela für etwa zwei Monaten im Pala
Nebiolo von Messina festgehalten .
Die 57 Migranten sind in einem ehemaligen
Gebäude des Telekommunikationsdienstes untergebracht, welches vom zugehörigen
Ministerium für die Unterbringung freigegeben wurde. Es ist ein neues Gebäude,
in dem es allerdings einige wichtige strukturelle Probleme gibt, wie z.B. die
der Wasserversorgung, die laut den Gästen nicht regelmäßig jeden Tag zugänglich
ist. Das führt Unannehmlichkeiten aller Art mit sich, insbesondere für die
Bäder, teilweise können die Bewohner sich nicht waschen. Trotzdem ist die
Sauberkeit der Räume, die wir besucht haben, gut und anscheinend gibt es zwei
tatkräftige Putzfrauen.
Die größte festgestellte Problematik stellt die medizinische
Betreuung dar. Zu dem Zeitpunkt, als wir angekommen sind, haben
wir einen der Gäste getroffen. Er kam
wegen eines Sturzes
in Begleitung von zwei Bekannten
aus dem Krankenhaus zurück. Er litt bereits seit
mehreren Monaten an sehr starken Juckreiz und ist an dem
Tag gefallen. Die Diagnose der
Notaufnahme umfasst nicht das Sturztrauma, sondern nur
die Krätze. Laut dem Betroffenen hatte er die Beschwerden
bereits in dem Zentrum von Gela.
Aber weder dort noch in diesem
Zentrum, hat der Arzt, der wöchentlich
die Gäste untersucht, therapeutische Maßnahmen unternommen.
Auch sein Mitbewohner berichtete uns von den gleichen Beschwerden, die
er seit mehreren Monaten hat und zeigte
uns einen großen Hautausschlag auf
seinem Rücken, gegen die er keine Medikamente bekommen hat.
Wir haben mit mehreren Personen gesprochen, die alle
gesundheitliche Probleme haben, einige sogar ernste Probleme und die sich alle
beschweren, dass sie im Zentrum keine angemessene medizinische Betreuung
bekommen. Diese beschränkt sich teilweise nur auf die Verabreichung von
fiebersenkenden Mitteln. Einmal pro Woche kommt ein Arzt ins Zentrum, mit dem
es aber schwer ist zu kommunizieren, da er kein Englisch spricht.
Englisch und Französisch spricht in diesem Zentrum nur eine
Arbeiterin, die meistens nur ein paar Stunden in der
Woche anwesend ist, während der Leiter des Zentrums lediglich
italienisch spricht. Als wir nach weiteren
Mitarbeitern fragten, erzählten sie uns nur von den Reinigungskräften und zwei Mitarbeitern für die Nachtschicht.
Wie die Gäste berichteten, wird
ihnen keine Rechtshilfe gewährleistet, sowie auch kein
Italienisch-Kurs in den Aktivitäten des
Zentrums geplant ist. Außerdem wird die Wäsche
nur einmal im Monat gewaschen. Es wurde berichtet, dass der Zentrumsleiter den
Gästen ein erhöhtes Taschengeld (pocket-money) in Höhe von 7,50 Euro gibt,
damit sie die Reinigungsmittel für die Bettwäsche selbst kaufen. Das Essen des Catering-Service wird uns von den Gästen als
schmackhaft und reichlich beschrieben.
Einen Tag nach unserem ersten Besuch kehrten wir
in das Zentrum zurück, um mit dem Leiter zu sprechen. Wir fanden vor Ort nur
die Kulturvermittlerin, die bereit war mit uns zu sprechen. Dementsprechend fragten wir sie, wie die
verschiedenen Aspekte der Verwaltung organisiert werden, in dem wir ihr auch
wichtige kritische Fragen hinsichtlich der mangelhaften medizinischen
Versorgung, der fehlenden Rechtsberatung
sowie zum fehlenden Italienisch-Unterricht stellten.
Sie antwortete uns, dass
die Schutzsuchenden hier vor Ort keinen Anspruch auf Rechtsfürsorge
haben,
weil diejenigen, die von der Pala
Nebbiolo (Aufnahmezentrum in Zelten in Messina)
ankommen, bereits die Rechtshilfe in der „Zeltstadt“ Messina bekommen haben (Anmerkung der Redaktion: nur die Minderheit
der Gäste).
Zu dem fehlenden Italienisch-Kurs haben wir später erfahren, dass dieser am folgenden Tag zweimal in der Woche für zwei Stunden beginnen wird. Zudem wird auch ein Englischkurs mit der gleichen Stundenanzahl organisiert.
Zu dem fehlenden Italienisch-Kurs haben wir später erfahren, dass dieser am folgenden Tag zweimal in der Woche für zwei Stunden beginnen wird. Zudem wird auch ein Englischkurs mit der gleichen Stundenanzahl organisiert.
Im Hinblick auf die medizinische Versorgung, hat uns die Mediatorin versichert, dass
ein Arzt und eine Krankenschwester
wöchentlich kommen und die Gäste
aufmerksam untersuchen. Diese Aussage half uns
nicht zu verstehen, wie die Fälle von Krätze unerkannt
blieben und weshalb Hepatitis und
Diabetes nicht behandelt wurden. Bezüglich des Mangels an spezifischen Diäten für diejenigen, die besondere Ernährungsbedürfnisse aufgrund ernst
zu nehmender Krankheiten haben, antwortete sie,
dass die Gäste keine Kinder seinen und wissen müssten, was sie essen können und
was nicht.
Hinsichtlich des Personalmangels, sagte uns die Mediatorin, dass es insgesamt acht
Mitarbeiter gibt: Den Leiter des Zentrums,
einem Fahrer, drei Mitarbeitern (für
die Verteilung von Mahlzeiten und Überwachung),
und zwei Reinigungskräften. Sie selbst
ist eine Kulturvermittlerin
und hat einen Teilzeitvertrag.
Nach all diesen Informationen überlegen wir,
dass diese Aufnahmezentren gar nicht so außerordentlich sind. Sie sind es nicht
im positiven Sinne aber auch nicht im Negativen: Sie sind charakterisiert durch
die selben Eigenschaften wie auch das restliche System der Erstaufnahme in den
letzten 20 Jahren „Notstand“.
Giovanna Vaccaro. Borderline Sicilia Onlus
Aus dem Italienischen von Ollga Mato