Der gestrige Tag war von x Ankünften auf Sizilien, besonders in
Trapani, gekennzeichnet. Die
Migranten, sie stammen ursprünglich aus
Syrien, Palästina und Subsahara Afrika, wurden 35 Meilen vor der
libyschen Küste vom Militärschiff Aliseo „eingesammelt“. Auf dem
Holzkahn befanden sich 887 Personen. Zu Beginn der Rettungsaktion wurden
sie alle auf die Aliseo gebracht. Später wurden 343 der Flüchtlinge,
aufgrund der hohen Anzahl von Personen, in einer zweiten Aktion auf das
Handelsschiff Asso Trenta verlegt. Dabei wurden die 343 Männer von etwa
20 Soldaten des Bataillon San Marco eskortiert.
Der
hygienisch-sanitäre Zustand auf dem Handelsschiff, das normalerweise
zehn Mann Besatzung an Bord hat, war so fürchterlich, dass einige der
Matrosen die Vermutung äußerten, dass es in einem libyschen Gefängnis
wahrscheinlich besser sei.
Auch auf der Aliseo war die Lage
katastrophal. Das Marineschiff verfügt weder über Toiletten noch Möglichkeiten zum Ausruhen. Die Migranten, darunter viele Familien mit
Kindern und schwangeren Frauen, mussten 48 Stunden auf dem Deck
ausharren und die Kälte der Nacht sowie die brennende Sonne des Tages
ertragen. Zwar haben die Soldaten zwei Toiletten mit Sichtschutz
installiert, jedoch war diese Lösung nicht ausreichend. Könnte man nicht
darüber nachdenken irgendwo auf diesen Schiffen chemische Toiletten
aufzustellen? Oder sich anderer Mittel bedienen? Könnten nicht einige
Räumlichkeiten dieser Schiffe jenen Personen zu Verfügung gestellt
werde, die gerettet werden? Wie immer gibt es viele Fragen, wie immer
fehlen die Antworten! Die Empfangsmaschinerie hat zumindest bei der
Ankunft in Trapani relativ gut funktioniert.
Die Mitarbeiter des
Projekts Praesidium sowie die freiwilligen Helfer des Zivilschutz waren
aufmerksam auf die Bedürfnisse der Migranten, die langsam die Schiffe
verließen. Schwangere Frauen, circa ein Dutzend, und Familien mit vielen
Kindern, vorwiegend Syrer, die Presse sprach von 191, konnten als erste
von Bord. Viele Migranten wurden vom medizinischen Personal direkt an
der Hafenmole Ronciglio erstversorgt und für weitere Untersuchungen ins
Krankenhaus gebracht. Natürlich waren die Ordnungskräfte und der Präfekt
von Trapani vor Ort, auch die Frontex Mitarbeiter fehlten nicht, die
wie immer in diesen Stresssituationen nach Informationen über
mutmaßliche „Schleuser“ fragen. Einige der Ankömmlinge wurden sofort
fotografisch festgehalten und sie mussten ihre Fingerabdrücke abgeben.
Die übrigen der 887 Migranten bekamen, nach einem ersten medizinischen
Check, einen „Korb“ mit Speisen und Wasser und wer keine mehr hatte,
bekam Turnschuhe.
Welches Schicksal erwartete sie jedoch nach der Ankunft?
Es
war eine gute Entscheidung der Präfektur, die Migranten auf
verschiedene Strukturen in der Region Trapani aufzuteilen: 150 Personen,
Familiengruppen, wurden nach Castellammare del Golfo gebracht, 100 in
eine neue, eigens geöffnete Einrichtung und weitere 50 in eine bereits
existierende. 119 kamen nach Marsala, 35 nach Mazara, 72 nach
Castelvetrano und 100 ins Aufnahme-Zentrum für Asylantragssteller (CARA)
in Salinagrande. Zudem war es geplant weitere 200 Personen nach Palermo
und Mineo zu bringen. Die restlichen 200 Migranten sollten per
Luftbrücke nach Norditalien, genauer in Zentren der Region Piemonte und
Latium, geflogen werden.
Irgendwann jedoch kommt die Wahrheit immer
ans Licht und das bereits zusammenbrechende System in Trapani hat mit
seinen Notlösungen einzig Misswirtschaft und Unbequemlichkeiten noch
weiter verbreitet.
In Castellammare: nach 16 stündiger
Ausschiffungs-Prozedur erreichten die Migranten das Zentrum um 23 Uhr.
Da die Bewohner auf Grund von Platzmangel in Frauen mit Kindern und
Männer unterteilt wurden, haben Familien gleich zu protestieren begonnen
und sind in Hungerstreik getreten. Selbst die Kinder haben bis heute
Mittag nichts gegessen und der Protest geht weiter auch wegen der
Struktur selbst. Es handelt sich dabei um den ehemaligen Agriturismo
'Sicilia Uno', welcher jetzt zum außerordentlichen Aufnahme-Zentrum und
gleichzeitig zum Schutzprogramm für Asylantragssteller und Flüchtlinge
umfunktioniert wurde. Das Zentrum wird von zwei Genossenschaften
geleitet, zwischen denen es Konflikte gibt.
Zu anderen 100
Migranten, alles Familien, war das Schicksal noch höhnischer. Sie wurden
nämlich in ein Zentrum gebracht, welches auf nur 50 Migranten, und dies
bereits unter enormen Beschränkungen, vorbereitet war. Ein anderes
Zentrum welches ausschließlich Frauen und Minderjährige erwartete, wurde
von einem Bus mit nur männlichen Migranten überrascht. Sicher ist, dass
jene Migranten die in Palermo erwartet wurden, dort nicht ankamen.
Um
in der Region Trapani zu bleiben, ins Aufnahme-Zentrum für Asylsuchende
(CARA) wurden 100 Personen gebracht, mit den bereits anwesenden 250
wurde das Aufnahmelimit der Struktur erneut überschritten. Die Turnhalle
ist übervoll, eine seit vier Monaten defekte Wasserbeheizungsanlage,
für dessen Reparatur die Präfektur noch immer nicht das OK gegeben hat,
gehört zu den weiteren Unannehmlichkeiten in einer Einrichtung, welche
bereits zuvor zu ‚kollabieren‘ begann. In den übrigen außerordentlichen
Aufnahme-Zentren münden die Proteste zwecks der langen Aufenthalte in
Wut und Verkehrsblockaden in Orten, in denen sich die Zentren befinden.
Fehlende Klarheit von Seiten der Leitung der Zentren verursacht außerdem
schlechte Stimmung und ständige Fluchten.
Doch auch wir würden
flüchten, würden wir in dieser höllischen Notstandsmaschinerie
feststeckten, in der, wer heute in Italien ankommt vermutlich im Sommer
2015, sprich in einem Jahr, bei der Territorialkommission angehört
wird!
Zu guter Letzt, das Identifikations- und Abschiebezentrum von
Milo: Nachdem das Rote Kreuz seit dem 1. April die Leitung übernommen
hat, ist die Situation vor Ort ruhig. Das Rote Kreuz arbeitet somit in
doppelter Funktion einmal bei der Aufnahme am Hafen, gleich nach der
Ankunft, und später im Zentrum. Es wird letzteres jedoch nur solange
übernehmen, bis eine neue Leitung gefunden wurde, an der betreffenden
Ausschreibung nimmt das Rote Kreuz nicht teil. In Milo sind zur Zeit 50
Personen untergebracht. Drei Abteilungen sind geschlossen und man wartet
auf den Beginn der Renovierungsarbeiten. Das Personal hat die
Reduzierung der Arbeitszeit auf 30 Wochenstunden akzeptiert, wartet
jedoch noch immer auf die Auszahlung der Löhne Februar März, für welche
der vorige Arbeitgeber Oasi aufkommen muss.
Das ist leider der
verrückte Zug des Notstands, der keine Rücksicht kennt, auch nicht
gegenüber einer schwangeren Frau oder einem neugeborenem Kind. Erneut
stehen wir den verweigerten Rechten wehrlos gegenüber.
Migranten wollen nicht in Italien bleiben, wir können sie verstehen!
Alberto Biondo
Borderline Sicilia
Aus dem Italienischen von Elisa Tappeiner